100 Sekunden Leben - 100 Jahre Surrealismus - und was der mit Bugs Bunny zu tun hat
Vor hundert Jahren hat der französische Schriftsteller André Breton das "Manifest des Surrealismus" veröffentlicht. Dies gilt als die offizielle Geburtsstunde der Kunstrichtung, die auch die Malerei stark beeinflusst hat. Und unser Kolumnist Thomas Hollmann sieht die Dinge auch gerne mal "über-real".
Auf Manifeste reagiere ich normalerweise allergisch. Ist es vom Manifest der Kommunistischen Partei zu einer Zeitung, die sich Prawda nennt und vorgibt, die Wahrheit zu kennen, doch nur ein kleiner gedanklicher Schritt. Wobei das Comic-Manifest, das 2013 auf den Berliner Literaturtagen verabschiedet wurde, nicht vorgibt, alleinseligmachend zu sein, sondern lediglich lustig gezeichneten Figuren zu mehr Anerkennung verhelfen will.
Dagegen dürften Surrealisten nichts haben, dass Bugs Bunny erst einmal drei Sekunden lang mit durchdrehenden Beinen in der Luft steht, ehe er Hunderte Meter tief in den Grand Canyon stürzt, um sich danach zwar etwas zerknirscht aber durchaus lebendig eine Möhre in den Mund zu stecken.
Und das gilt es festzuhalten: Den Surrealisten Bugs Bunny würde es ohne entsprechendes Manifest nicht geben. Musste das doch erstmal jemand behaupten, dass die Welt weitaus wunderbarer ist, als sie den allermeisten erscheint und dass man physikalische Gesetze und Erdanziehungskräfte künstlerisch außer Kraft setzen darf.
Also ließ Dalí seine berühmten Uhren dahinschmelzen. Erst danach konnte Uri Geller behaupten, Löffel mit Hilfe seiner Gedankenkraft und eines aufgelegten Fingers zu verbiegen. Die meisten Fernsehzuschauer dürften damals geahnt haben, dass das ein Trick ist. Und doch waren sie fasziniert von der Vorstellung, sich die Dinge zurechtzudenken und dass nicht alles so in Form bleiben muss, wie es aus der Metallpresse herauskommt. - Der Surrealismus hat die Welt – und wie wir sie sehen - zweifellos geweitet. Das ist fantastisch. Und Bugs Bunny sowieso.