100 Sekunden Leben - Von Stullen und Bemmen: Die Deutschen und ihr Butterbrot
Es ist mal wieder Tag des Deutschen Butterbrotes. Kein Witz. Vor 25 Jahren hat der Werbeverband der deutschen Agrarwirtschaft den letzten Freitag im September zum Ehrentag des butterbestrichenen hiesigen Brotes erklärt. Unser Kolumnist Thomas Hollmann hält das für eine ziemlich plumpe Marketing-Idee - feiert aber trotzdem gerne mit.
Ich liebe Butterbrote. Schon immer. Einen Klotz Vollkornbrot putze ich in drei Tagen weg. Und jede Scheibe bestreiche ich vorher mit Butter, verstärkt die doch den Geschmack des Brotes auf vorzügliche Weise. Das wusste schon Johann Wolfgang von Goethe und ließ deshalb seinen jungen Werther ein "Butterbrod" mümmeln, das damals hinten noch mit "d" geschrieben wurde.
Vor dem Freitod bewahrte der Brotverzehr den armen Werther nicht. Was mich wundert. Wenn ich eine Scheibe Roggenmisch mit Himbeermarmelade esse, zieht mich rein gar nichts ins Jenseits. Da will ich unbedingt noch eine Scheibe essen.
Eigentlich hätte Goethe schon den Tag des Deutschen Butterbrotes ausrufen können und nicht erst zweihundert Jahre später der Werbeverband der deutschen Agrarwirtschaft. Kann das Butterbrot doch auch Stulle, Kniffte, Bemme und Fieze heißen. Die deutsche Butterbrotkultur ist auch eine Namenskultur.
Wobei mir egal ist, wie das Brot heißt, solange es nur kein Weißbrot ist. Schmeckt Weißbrot bekanntlich nach nichts außer nach weißem Brot. Graubrot und Schwarzbrot kann dagegen malzig, kräftig, körnig, salzig, ölig, süßlich, säuerlich und noch ganz anders daherkommen.
Bleibt die Frage, warum die ganze Welt trotzdem weißes Brot isst und keines, das schmeckt? Und warum die Amerikaner am 3. November ihren National Sandwich Day begehen? Dienen Sandwichscheiben bekanntlich nur als Deckel, damit das Zeug dazwischen nicht auf die Erde fällt. - Dann doch lieber den Tag des deutschen Butterbrotes. Der ist wesentlich schmackhafter und lässt sich zur Not auch mit nur einer Scheibe feiern.