Taylor Swift auf der Bühne
picture alliance/dpa | Lennart Preiss
Bild: picture alliance/dpa | Lennart Preiss Download (mp3, 3 MB)

100 Sekunden Leben - Brauchen wir ein deutsches Las Vegas?

Zehn Konzerte hintereinander – die Popsängerin Adele spielt gerade eine solche Auftritts-Serie in München. Berlin bekommt Ende der Woche immerhin drei Mal „Die Ärzte“. So oft spielte aber auch Taylor Swift in Gelsenkirchen. Kolumnistin Doris Anselm sucht die Gründe für den Serien-Trend – und fragt sich, wo er hinführt.

Als Popstar auf Tour drohte einem früher jeden Abend dieser klassische, peinliche Fail: Der Moment, wenn man seine Berliner Fans versehentlich mit einem lautstarken "Good Evening, Stuttgart!" begrüßte, weil man nach vier Monaten auf Tour keine Ahnung mehr hatte, wo man sich mutmaßlich befand.

Dieses Problem ist durch Serienkonzerte an nur einem Ort ein für alle Mal gelöst. Wobei ich, wenn ich Taylor Swift wäre und also amerikanische Muttersprachlerin, mir nicht grad das zungenbrecherische "Gölsenkörtschen" aussuchen würde. Oder hat sie sowieso immer nur "Hello Germany" gesagt bei ihrer Konzertserie da? Egal.

Die feindseligen Gefühle zwischen verschiedenen Städten werden so keineswegs behoben. Muss Berlin sich beispielsweise zurückgesetzt fühlen, wenn "Die Ärzte" hier auch "nur" dreimal spielen? Oder ist es künftig eher eine Auszeichnung, wenn sich Stars für weniger als zehn Konzerte überhaupt irgendwo hinbemühen? Und was machen eigentlich die Fans? Gehen die dann drei- bis zehnmal hintereinander?

Früher war es guter Brauch, vor der Konzerthalle zu campieren, aber da rennen doch dann jetzt die abreisenden Dienstagsfans die Zeltstadt der Mittwochsfans über den Haufen. Oder wohnen die dann ganz da? Und läuft es am Ende darauf hinaus, dass wir irgendwo in Deutschland eine einzige Amüsierstadt kriegen, wo einfach sämtliche Konzerte aller Popstars stattfinden?

Las Vegas war, bevor die Casinos kamen und dann die Promis, ein trostloses Kaff in der Wüste, wo sonst nicht viel ging. Da muss man sich über das neue Selbstbewusstsein von Gelsenkirchen nicht wundern. Andererseits: Um Berlin rum liegt auch viel märkischer Sand, und an innerer Provinzialität mangelt es uns keineswegs. Kurzum: Taylor Swift kann kommen.

Auch auf rbb24inforadio.de

100 Sekunden Leben
rbb

100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.