Vogelperspektive Wald (Bild: imago images/Cavan Images)
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100 Sekunden Leben - Im Wald

Unseren Kolumnisten Hendrik Schröder hat es jüngst in die Natur verschlagen. In die richtige Natur, wie er sagt.

Neulich war ich für eine Reportage in Norddeutschland. Im Wald. Also mitten im Wald. Mehr mitten im Wald geht vielleicht gar nicht in Deutschland. Ich war mit Naturschützern unterwegs. Die durften mit ihren Geländewagen auch die Waldwege und die kleinen Versorungswege, die für Forstwirte und so angelegt sind, fahren. Es schaukelte und rappelte. Aber es war ganz und gar erstaunlich, was die kleinen grünen Karren leisteten. Ein Mal fuhren wir uns trotz Allrad fest und legten Äste unter die Hinterreifen. Es funktionierte.

Dann stiegen wir aus und gingen zu Fuß noch viel tiefer in den Wald hinein, auf der Suche nach bestimmten Vogelnestern. Mein Begleiter kannte offenbar jeden Quadratmeter und wusste genau, wie man sich in den derben Schuhen auf dem matschigen Boden bewegt. Er war weit vor mir, zehn Meter, dann 30 Meter…wenn der jetzt abhauen sollte und hier kein Netz ist, fantasierte ich, dann komme ich hier nie wieder raus. Wirklich. Wir waren ewig gefahren, ich hatte überhaupt nicht auf den Weg geachtet. Würde ich Beeren essen und mir aus Laub ein Nachtlager bauen? Nachts Todesangst haben, weil der stockdunkle Wald dann 1000 gruselige Geräusche macht?

Zwei Stunden hatte meine Fahrt aus Berlin hierher gedauert. Zwei Stunden nur. Aber ich war in einem völlig anderen Leben. Völlig anders. Das hier war kein netter Stadtwald, das hier war mächtig, dicht, riesig, von Menschen fast unbewohnt. Wer die Natur nicht liebt, hat es hier oben schwer, sagte mein Begleiter später zu mir. Außer der Natur gäbe es nicht viel. Aber wer die Natur liebe, der fände hier das Paradies. Ich glaubte ihm.

Später sahen wir durch das Fernglas mächtige Seeadler, die ihre riesigen Nester in im Wasser stehende Bäume gebaut hatten. Was für ein Schauspiel. Ich schlief in einer Art Schullandheim und als ich abends im Stockbett lag, war die Stille rund um das Haus so absolut, ich wäre fast verrückt geworden. Und fast glücklich.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.