In dieser unserer unübersichtlichen Welt sind wir Menschen stets auf der Suche nach Orientierung. Große Fußballereignisse schaffen für Viele genau das: Zugehörigkeit, gemeinsame Hoffnungen, feste Regeln, Klarheit von Erfolg und Misserfolg, berechenbare Aufenthaltsorte. Moment – berechenbare was? Ja, Aufenthaltsorte!

Für mich war das bisher die allerbeste Seite der EM: Dass ich genau wusste, zu welchen Zeiten die meisten Leute NICHT in meinem Supermarkt sein würden. Vor allem, wenn Deutschland spielte, herrschte dort gähn…iale Leere. Die Atmosphäre in dem sonst komplett zugekundeten Laden war plötzlich derart entspannt, dass ich mich zum ersten Mal überhaupt richtig umsah.

Normalerweise halte ich mich am Einkaufswagen fest wie an einer Reling auf hoher See und komme erst im sicheren Kassenhafen wieder zu mir. Was ich da alles verpasst habe auf dem Weltmeer der Warenkunde: Ich wusste beispielsweise gar nicht, dass das reguläre Sortiment meines Discounters Sriracha-Sauce umfasst. Das thailändische Original! Wie wunderbar!

Doch jetzt ist eben schon wieder Schluss mit ruhiger See, und zwischen den Regalen ist es erneut voll und stressig. Seit dem Deutschland-Aus hat ein Teil der eben noch glühenden Fußballfans, nun ja, vielleicht nicht ganz das Interesse an der EM verloren, wohl aber die sklavische Ergebenheit, mit der man sich bislang zu festen Zeiten vor dem Bildschirm einfand.

Die Situation kann nur schlimmer werden, nachdem dann auch noch die Türkei rausgeflogen ist. Schließlich stellt das Land die größte einkaufende Minderheit in Deutschland. Ich muss einfach blind hoffen, die Türkei-Fans interessieren sich weniger als ich für Sriracha-Sauce.