100 Sekunden Leben - Weniger Licht
"Mehr Licht" - das waren angeblich Goethes letzte Worte. Unser Kolumnist Thomas Hollmann hat ein entgegengesetztes Problem: Er ist zwar naturverbunden, aber mit der Sonne möchte er dann doch nicht aufstehen.
Um hier gleich mal Johann Wolfgang von Goethe zu widersprechen: Ich will nicht mehr Licht, ich will weniger. Vor allem morgens um fünf. Dann ist das Schlafzimmer nämlich schon hell. Weil Licht wie Wasser ist. Das findet immer einen Weg, vorbei an den Vorhängen und hindurch durch irgendwelche Schlitze. Und dann bin ich wach - um fünf.
Ich könnte die Scheiben mit schwarzer Folie abkleben. Aber das wäre dann doch zu viel Darkroom. Wobei es auch Folie gibt, die statisch aufgeladen ist und die sich am Glas festsaugt. Aber dann müsste ich abends immer rauf auf die Leiter und die Dinger an die Oberlichter pappen - und das Gleiche morgens, um sie wieder abzuknibbeln. Und nachher stürze ich noch und wer weiß, ob die Lichtverhältnisse im Krankenhaus besser sind.
Meistens schlafe ich ja wieder ein. Aber höchstens bis sechs. Dann ist es derart grell, dass ich mich wundere, warum die bei mir schon wieder einen Film drehen. Aber das ist gar kein Scheinwerfer, das ist die Sonne.
Nicht, dass ich gegen die etwas hätte. Ohne Sonne geht’s ja nicht. Wissen wir alle. Solaranlagen funktionieren im Dusteren nur schlecht. Und dann hätte man die ganz umsonst an den Balkon geschraubt. Und schließlich heißt es auch schon in der Bibel: "Wer in der Finsternis wandelt, weiß nicht, wohin er geht." Kein Licht ist also auch keine Lösung.
Und bald wird's ja auch wieder später hell. Allerdings wird es dann auch wieder früher dunkel. Und wenn die Welt schon am Nachmittag im Keller ist, hellt das die Stimmung auch nicht gerade auf. Zumal, wenn man zuvor schon im Schwarzen aufgewacht ist. Das kann ich mir im Moment zwar nicht so recht vorstellen, aber wahrscheinlich wünsche ich mir dann nichts sehnlicher als etwas Licht am Ende des Schlafzimmers.