Leere Tische vor einer Kneipe in der Stargarder Straße in Berlin-Prenzlauer Berg. (Archivbild)
IMAGO / Seeliger
Bild: IMAGO / Seeliger Download (mp3, 3 MB)

100 Sekunden Leben - Warum das mit dem Sommermärchen wohl nix wird

In einer Woche beginnt die Fußball-Europameisterschaft - und die Sehnsucht nach einem erneuten Sommermärchen ist groß. Das hat auch die ARD-Reportage von Esther Sedlaczek gezeigt: Fußball-Deutschland möchte sich wieder feiern - wie bei der WM 2006. Unser Kolumnist Thomas Hollmann glaubt allerdings nicht an ein Sommermärchen 2.0.

Das Problem guter Partys ist: Die lassen sich nicht wiederholen. Ich weiß das deshalb, weil wir das schon mal versucht haben. Der Ort war auch derselbe, die Bude von Buko. Wir waren wollten es richtig krachen lassen. Wie damals eben. Aber dann haben sich die Hits von früher nur alt angehört. Und Sex gab's auch keinen.

Locker sein kann man eben nicht erzwingen. Wie soll das auch gehen? Seid jetzt gefälligst locker, oder wie? Und da hilft auch kein gutes Wetter. Der WM-Juli 2006 war 5,3 Grad wärmer als normal, hat der Meteorologe letztens vor der Abendschau gesagt. 5,3 Grad wärmer, da kriegen die Leute inzwischen panische Angst. Und sollte es erneut einen Monat lang nicht regnen, wäre das kein Sommermärchen, sondern eine Dürre-EM.

Und dass Schwarzrotgold wieder lustig im Wind flattert, glaube ich schon deshalb nicht, weil Schwarzrotgold inzwischen als Treuegelöbnis am Revers getragen wird. Und da kommt der Wind nicht ran.

Außerdem gibt es immer nur ein erstes Mal. Beim zweiten Mal kann das gar nicht mehr so märchenhaft und wundersam sein. Denn man kennt die Geschichte ja schon. Deshalb rate ich, die EM weniger vergangenheits-sehnsüchtig anzugehen.

Und die Außenministerin könnte ihre Erwartungen auch mal runterschrauben. Ein "Friedenszeichen" soll die EM in die Welt aussenden, hat Annalena Baerbock gesagt. Vielleicht will sie die Tanzfläche ja für sich alleine haben. Durch moralische Appelle werden die Leute da jedenfalls nicht draufgetrieben.

Mir würde, ehrlich gesagt, schon reichen, wenn die deutsche Mannschaft nicht wieder in der Vorrunde rausfliegt. Das wäre mir Party genug - fürs Erste.

Auch auf rbb24inforadio.de

100 Sekunden Leben
rbb

100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.