Demonstration von Pro-palästinensische Aktivisten, Kinder mit Flaggen
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100 Sekunden Leben - Lasst die Kinder in Frieden!

Unser Kolumnist Hendrik Schröder kam vor einigen Tagen zufällig an einer Demonstration in der Hauptstadt vorbei. Und was er da gesehen hat, beschäftigt ihn auch Tage später noch.

Letztes Wochenende war ich auf einer Anti Israel Demo. Also nicht dabei. Nur am Rand. Als Beobachter. War zufällig des Weges gekommen und dann neugierig stehen geblieben, wie ich bei jeder größeren Demo erst mal stehen bleibe, egal für oder gegen was. Was ich bei der Demo aber gesehen habe, hat mich echt entsetzt, traurig gemacht und lässt mich auch jetzt, Tage später, kaum los. An die hasserfüllten Parolen gegenüber Israel, die ich jetzt gar nicht wiedergeben möchte, hat man sich ja schon fast gewöhnt. Auch wenn man das nicht sollte, sich gewöhnen.

Und die vielen gereckten Mittelfinger, Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber einer Handvoll Gegendemonstranten, die an einer Ecke total friedlich stehen und Schilder wie "Lasst die Geiseln frei" oder "Free Gaza from Hamas" hochhalten, auch die sind vorprogrammiert. Ich erkläre mir das dann immer damit, dass viele der Demonstrierenden gerade Angehörige verlieren in einem grausamen, aus den Fugen geratenen Krieg und nicht wissen, wohin sonst mit ihren Emotionen ob dieses Unrechts. Naja. Eine Erklärung von vielen.

Was ich aber vorher noch nie gesehen hatte: Dass Kinder den Takt der Demo vorgeben. Die Parolen in die Megaphone rufen, die die Erwachsenen im Demo-Zug dann nachbrüllen. Ja Kinder. Mindestens 2 habe ich gesehen. Auf den Schultern von Erwachsenen, das Megaphon in der Hand und schon wie kleine Große das ganze Programm mit gehobener Stimme in den plärrenden Lautsprecher brüllend. Kinder. 10, vielleicht 12 Jahre alt. Noch leicht genug, um auf den Schultern getragen zu werden. Die in dem Alter niemals das Wissen haben können, genau zu verstehen, was sie da rufen. Aber sie rufen es, immer und immer wieder. Und die Erwachsenen stacheln sie an.

Wie verrannt muss man sich haben, um das als Eltern gut und richtig zu finden. Wie soll man jemals wieder irgendeine Hoffnung auf Verständigung haben, wenn so schon in die Kleinsten das Gift des Hasses gespritzt wird? Die sollten Kinder sein dürfen, unbeschwert. So grausam das ist, was in Gaza passiert: Diese Kinder leben in Berlin und hier ist kein Krieg. Lasst sie… in Frieden.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.