Besucher gehen durch eine Halle auf der Hanfmesse "Mary Jane"
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100 Sekunden Leben - Die Grüne Kiffer-Woche

Das ist ein neuer Rekord: Mehr als 40 000 Menschen waren am Wochenende auf der Berliner Cannabismesse. Das haben die Veranstalter mitgeteilt. Unser Kolumnist Thomas Hollmann sieht das gesteigerte Interesse am Kiffen allerdings kritisch.

Unser Sender ist gleich gegenüber von den Messehallen. Und als Uschi reinkam und meinte, die Kiffer stünden bis zur Kreuzung, habe ich mir das natürlich gleich angeguckt. Und tatsächlich: Die Schlange war bestimmt 400 Meter lang. Und das Erstaunlichste: Keiner beschwerte sich über den offensichtlich unprofessionellen Einlass. Alle standen nur stumm da und warteten, bis es einen Schritt voranging.

Die Aussicht, eine Kiffer-Messe besuchen zu können, wirkte offensichtlich stark beruhigend auf die Leute. Womöglich waren es aber auch die konsumierten Rauschmittel. Roch es vor der Halle doch so, als werde nebendran ein Zentner Schwarzer Afghane verbrannt. Und das morgens um 10. Aber unbekifft auf eine Kiffer-Messe zu gehen, ist vermutlich ähnlich unpassend, als würde man in der Kirche nicht beten.

Zurück am Schreibtisch las ich, dass der Eigenanbau dieses Jahr das große Thema ist. Pflanzenerde, Cannabissamen, Gewächshäuser. Vielleicht wird die Kiffer-Messe ja die neue Grüne Woche, und der Landwirtschaftsminister muss beim Eröffnungsrundgang erstmal einen bio-zertifizierten Braunen Brandenburger durchziehen. Denn man will ja unabhängig sein vom afghanischen Gras.

Am Nachmittag bin ich dann nochmal rüber. Da war die Schlange weg, und die Leute gingen schon wieder nach Hause. Wobei viele von denen nicht wirklich gingen, die schlurften eher. Die bekamen ihre Füße kaum hoch. Und da frage ich mich, ob das Deutschland gesellschaftlich wirklich weiterbringt, wenn jetzt alle legal schlurfen.

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100 Sekunden Leben
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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.