Mittelinsel
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100 Sekunden Leben - Das Mittelinsel-Dilemma

Auf Berliner Straßen sieht man immer häufiger Mittelinseln. Fußgänger sollen die benutzen und dadurch gefahrlos auf die andere Straßenseite kommen. Unser Fahrrad fahrender Kolumnist Thomas Hollmann sieht Mittelinseln allerdings kritisch.

Ich bin sehr dafür, dass Fußgänger beim Überqueren der Straße nicht totgefahren werden. Weder von SUVs, noch von Bussen, Klein- oder Lastwagen. Und möglicherweise lässt sich die Mortalitätsrate durch Mittelinseln tatsächlich senken. Verengt sich durch die bordsteinumrandete Insel doch die Fahrbahn, so dass die Autolenker Obacht geben. Schon um mit dem teuren Frontspoiler nicht auf der Umrandung aufzusetzen. Und die Fußgänger können auf halbem Wege Halt machen und überlegen, ob sie noch einen Liter Milch brauchen. Für Fußgänger sind Mittelinseln zweifellos ein Zugewinn an Muße und Schutz.

Für Fahrradfahrer sind sie das allerdings nicht. Passen Fahrradfahrer und Autofahrer doch nicht nebeneinander. Da es Autofahrer aber hassen, hinter Fahrradfahrern herzufahren, und sei es auch nur für die sieben Meter, die eine Mittelinsel lang ist, setzen sie zum Überholmanöver an, auch wenn es dazu schon zu spät ist. Egal. Wozu hat man 150 PS unter der Haube? Also wird das Gaspedal durchgetreten. Und dann schießt die Karosse auch schon handbreit vorbei. Aber immerhin: überlebt.

Manchmal jagt der Mittelinsel-Überholer auch ganz links vorbei, also auf der anderen Seite der Insel. Da bin ich einerseits froh, weil er mich dann nicht erwischen kann. Andererseits sollte da jetzt kein Radfahrer entgegenkommen. Und da frage ich mich, wie die Mittelinsel liebenden Mitarbeiter der Bezirksämter auf die Idee kommen, man könne die Sicherheit der Fußgänger nur erhöhen, indem man die Sicherheit der Fahrradfahrer reduziert? Wird da möglicherweise das Prinzip der kommunizierenden Röhren von Amtswegen falsch verstanden? Das wäre eine Erklärung, aber kein Trost. Zumal es Zebrastreifen gibt.

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100 Sekunden Leben

Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.