Frische Erdbeeren
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100 Sekunden Leben - Tag der Erdbeere

Diesen Freitag wird die Erdbeere geehrt. Genauer gesagt: die deutsche Erdbeere. Das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände e.V. hat den dritten Freitag im Mai zum nationalen Erdbeertag erklärt. Und da fragt sich unser Kolumnist Thomas Hollmann, ob das nicht eine zu plumpe Marketingmaßnahme ist - für eine derart sinnliche Frucht.

Das Netzwerk der Spargel und Beerenverbände kann ins Feld führen, dass es auch einen deutschen Apfeltag gibt und am Dienstag erst der "Iss-eine-Kiwi-Tag" begangen wurde. Da darf die heimische Erdbeere schon aus standortpatriotischen und Anti-Diskriminierungsgründen nicht fehlen.

Zumal die Erdbeere nur das viertliebste Obst der Deutschen ist, hinter König Apfel, der importierten Banane und der Weintraube, die auch aus aller Welt kommt. Bei der Erdbeere wächst zumindest jede zweite hierzulande heran. Aber das Netzwerk der Spargel und Beerenverbände dürfte befürchten, wenn die Leute in Deutschland erst einmal alle chinesische Elektroautos fahren, könnte auch die Scheu vor der chinesischen Erdbeere fallen. Gibt es von der doch mehrere Millionen Tonnen jährlich. Und die spanische Erdbeere ist jetzt schon billiger als die deutsche. Denn die Leute in Spanien pflücken die Dinger für die halbe Kohle.

Wobei es streng genommen gar keine deutschen Erdbeeren gibt. Ist unsere Gartenerdbeere doch eine Kreuzung aus der nordamerikanischen Scharlach- und der südamerikanischen Chile-Erdbeere. Angesichts dieser historischen Lage erscheint mir ein frucht-nationaler Gedenktag geradezu geschichtsvergessen.

Apropos früher: Adam und Eva sollen damals einen Apfel gefuttert haben. Ein wissenschaftlicher Beweis für diese, die Vormachtstellung des Apfels zementierende These liegt allerdings bis heute nicht vor. Was das Netzwerk der Spargel- und Beerenverbände kritisieren dürfte. Könnte die verbotene Frucht doch auch eine Erdbeere gewesen sein. Und da muss ich sagen: Da bin ich auf der Seite der Erdbeer-Lobbyisten: Für einen sauren Boskop hätte ich das Paradies jedenfalls nicht aufgegeben.

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Doris Anselm, Thomas Hollmann, Wlada Kolosowa, Sebastian Schiller, Hendrik Schröder und Ebru Taşdemir betrachten mit einem schrägen Seitenblick Phänomene aus ihrem analogen und virtuellen Leben.