100 Sekunden Leben - Goethes Arsch
Vor genau 250 Jahren wurde Goethes "Götz von Berlichingen" im Berliner Comödienhaus uraufgeführt – und der junge Dramatiker mit einem Schlag berühmt. Unserem Kolumnisten Thomas Hollmann geht dieser Umstand keineswegs am Arsch vorbei.
Den Götz und den Goethe auf ihre Allerwertesten zu reduzieren, wäre natürlich eine grobe Vereinfachung - charakterlich wie literarisch. Hat der fränkisch-schwäbische Reichsritter wohl gar nicht gesagt, was ihm der junge Literat da posthum in den Mund legte. Und Goethe schrieb danach noch Vieles mehr. Und das Allermeiste hatte mit Ärschen nichts zu tun.
Nichtdestotrotz erlangte Goethe seine erste Berühmtheit mit dem Hinterteil. Wusste der junge Goethe doch um die Kraft der gezielten Beleidigung. Damit lässt sich trefflich Empörung erregen. Und ein Pistolenduell musste der junge Dichter nicht fürchten, war er doch schlau genug, seine eigene Buxe anzubehalten und nur die seiner Hauptfigur herunterzuziehen. "Er kann mich im Arsche lecken." "Im" Arsche, nicht "am". Machen die meisten falsch.
So genau muss man das aber auch nicht nehmen, wird Theater doch immer weitergeschrieben. Und der Volksmund redet eh, wie er will. Das tat er schon vor Goethe, den Arsch zum Lecken anzubieten. Goethe schaute dem Volke also nur aufs Maul. Politiker tun das bisweilen auch. Auch sprachgewaltige wie Schmidt und Strauß konnten recht derb sein. Und vermutlich wären Strauß und Schmidt auch passable Theater-Schauspieler geworden. Will Politik doch ebenfalls mit großer Geste dargestellt werden. Außer Olaf Scholz regiert. Oder Angela Merkel.
Wie Kaiser Maximilian performt hat, weiß ich nicht zu beurteilen. Aber Goethe und sein Götz würden wahrscheinlich sagen: miserabel. Sonst hätte der Götz dem Kaiser ein anderes, weniger verächtlichmachendes Körperteil angeboten. Aber dann wäre Goethe vielleicht nie berühmt geworden, wenn er geschrieben hätte: "Leck mich am Ellbogen".