100 Sekunden Leben - Willkommen im 5-Uhr-Club
Um fünf Uhr aufstehen ist das neue Promi-Ding. Heidi Klum, Michelle Obama, Bill Gates, sie alle sollen unter die Frühaufsteher gegangen sein, um so zu Energie und Inspiration zu gelangen. Unser Kolumnist Thomas Hollmann kann da nur müde lächeln. Er steht manchmal schon um halb fünf auf.
Nun ist Selbstgeißelung nichts Neues. Im Mittelalter haben sich die Leute die Siebenschwänzige über den Rücken gezogen. Und manche tun das heute noch. Allerdings nicht mehr im Namen des Herren, sondern im Sadomaso-Klub. Wobei die Peitsche dort eher von der Domina geschwungen wird, habe ich mir sagen lassen. In jedem Falle ist um fünf Uhr aufstehen keine wirkliche Bußübung, sondern irgendwie warmduscherig.
Okay, Heidi Klum zeigt sich in ihrer Modelshow bisweilen rückenfrei. Da machen sich Striemen nicht so gut, egal ob religiös oder sexuell grundiert. Auf der anderen Seite sieht man die Müdigkeit doch auch. Nicht auf dem Rücken, dafür im Gesicht. Aber um 5 Uhr aufstehen macht gar nicht müde, sagen die 5-Uhr-Aufsteher. Weil dann gleich das 20-minütige Power-Workout ansteht. Anschließend formuliert man 20 Minuten lang die Ziele für den Tag. Und dann gibt es noch 20 Minuten die eigene Lieblingsmusik. Und dann ist es sechs und die Fünf-Uhr-Aufsteher sind total fokussiert.
Gwyneth Paltrow ist auch im 5-Uhr-Klub. Genau, das ist jene Schauspielerin, die für ihre Masturbations-Anleitungen berühmt ist. Und wahrscheinlich ist um fünf Uhr aufstehen auch eher eine Wellness-spirituelle Übung, die einen deshalb so sehr befreit, weil man etwas freiwillig tut, das andere tun müssen.
Ich zum Beispiel. Wenn ich Frühschicht habe, muss ich sogar schon um halb fünf raus. Und wenig später sitze ich mit Leuten in der S-Bahn, die in Berliner Büros die Klos putzen. Frage ich die beim nächsten Mal doch einfach, welche Ziele sie für den Tag formuliert haben.