100 Sekunden Leben - Fußgänger-Hampeln
Eine Reform bei der Ampel: Bei dieser Nachricht hat Kolumnistin Doris Anselm erstmal an Politik gedacht. Doch wie sich herausstellte, geht’s um ganz schnöde Fußgängerampeln, die in Berlin umgebaut werden sollen.
Der Countdown läuft. Nee, Moment: Der Countdown zum Countdown läuft. Noch in diesem Jahr, so meldete die Berliner Verkehrsverwaltung, kriegen die ersten Fußgänger-Ampeln der Stadt eine Countdown-Anzeige. Das Ding soll unter anderem Autofahrern zeigen, dass Fußgänger manchmal noch zu Recht auf der Fahrbahn sind, auch wenn ihre Ampel schon auf "rot" gesprungen ist. Wobei ich schon fürchte, die Autofahrer könnten das am Ende umgekehrt interpretieren. Die Frage, ab wann man einen Menschen ganz legitim über den Haufen brettern darf, hat ja durch das aktuelle gesellschaftliche Klima (haha, "Klima"!) für Viele einen erheblich größeren, ich sag mal: Ermessensspielraum gekriegt. Da kommt der Countdown gerade recht: "Die Zeit ist rum, ich fahr dich um!"
Weitere Frage: Wieso denn ein ganz neues Anzeigesystem extra für Fußgänger? Autos und Radfahrer haben statt Coutdown seit jeher die Ampelfarbe Gelb, eine gut eingeführte Marke in Sachen "husch, husch, jetzt aber rüber". Doch womöglich fürchten die Verkehrsplaner, dass die Fußgänger Gelb ebenso auslegen könnten wie alle anderen: Noch schnell losrasen, um dann bei Rot mitten auf der Kreuzung Maximaltempo erreicht zu haben. Hochgefährlich!
Vielleicht ist also diese neue Countdownampel die stillschweigende Bankrotterklärung der Gelbampel. (Jetzt nicht an die FDP denken, nicht an die FDP denken!). Und wie geht das mit dem akustischen Countdown, Stichwort: Barrierfreiheit? Ich hätte da den perfekten Vorschlag: Dü dü düüüü dü! Dü dü dü dü düüüü! Dü dü dü düüü düüü… und so weiter, genau: "The Final Countdown". Da würde ich glatt über die Straße tanzen! Bei meinem Grad an Rhythmusgefühl nennt man sowas dann allerdings: Fußgänger-Hampeln.