100 Sekunden Leben - Ich, der Umweltengel
Gute Nachrichten sind selten in diesen Zeiten der Kriege und Krisen. Aber es gibt sie – die guten Nachrichten. Unser Kolumnist Thomas Hollmann hat eine erhalten. Und deshalb schwebt er jetzt über den Dingen.
Mir hat die Deutsche Bahn eine Mail geschickt. Da habe ich es erstmal mit der Angst bekommen. Denn in der letzten Mail, die ich von der Bahn bekam, stand drin, dass mein Zug ausfällt. Aber dann ist mir eingefallen, dass ich die nächste Zeit gar nicht mit dem Zug verrreise. Also habe ich die Mail geöffnet.
"Entdecken Sie Ihre persönliche CO²-Einsparung 2023", las ich da. In der Bahn Bonus-App könne ich erfahren, wieviel Kohlendioxid ich im vergangenen Jahr weniger verbraucht habe, weil ich mit der Bahn gefahren bin statt mit dem Auto.
Also habe ich meine Bahn Bonus App geöffnet, die ich deshalb auf dem Handy habe, weil ich dann nachgucken kann, wie viele Bonus-Punkte mir noch zur Schlagbohrmaschine fehlen. 6260 sind es aktuell. Ich muss also noch das eine oder andere Mal durch die Republik cruisen, um die Prämie abzugreifen. Aber das werde ich künftig als Umweltengel tun.
Habe ich doch 758 Kilogramm Kohlendioxid gespart. Sagt die Bahn. Und dass man damit einen Zweipersonen-Haushalt 107 Tage lang heizen kann. Ich nehme an im Winter und nicht im Sommer. Muss man bei diesen Berechnungen doch aufpassen, warnt die FAZ. Die Klimabilanz der Deutschen Bahn sei gar nicht so toll, weil die Schienen und Weichen und Stellwerke nicht mit eingerechnet seien. Dabei brauche es schon viel Energie, um allein eine Schiene zu schmieden.
Meinen neuen Status als Umweltengel gebe ich trotzdem nicht auf. Habe ich dafür doch viele Stunden in überfüllten Abteilen gesessen. Außerdem funktioniert der CO²-Rechner auch vorausschauend. Da gibt man seine Reise ein, Berlin-Erfurt beispielsweise, und - zack - steht die Differenz zum Auto da und man hat ein gutes Gewissen. Und das Tolle: Fährt man weiter bis nach Freiburg, ist das Gewissen noch besser.