100 Sekunden Leben - Die Autofahrt des Grauens
Aktuell wird ja darüber diskutiert, dass viele Autos von Fahrdiensten wie Uber, Bolt und Freenow ohne Konzession unterwegs sind. Als unser Kolumnist Hendrik Schröder das gelesen hat, musste er an eine solche Fahrt neulich denken, bei der er Blut und Wasser geschwitzt hat.
Neulich musste ich wirklich sehr, sehr früh morgens zu einem Job nach Potsdam, eine Mietdroschke wurde nötig. Ich buchte über die App, das Auto kam, ich sprang in den Fond und sagte smalltalkend: Guten Morgen, so, sie bringen mich nach Babelsberg. Keine Antwort. Kein Gruß. Ich: Ähh..auf gehts. Er: Flughafen. Ich: Nee, Potsdam. Er tippte am Navi und fuhr wortlos an. Bitte fahren sie jetzt hier auf die Autobahn, sagte ich nach einer Weile. Er fuhr weiter geradeaus und sprach einfach gar nicht mit mir.
Gut, der Mann konnte offenbar kein Deutsch und kein Englisch und kannte auch die Strecken nicht. Wahrscheinlich war er noch nicht lange hier und hat den erstbesten Job genommen. Er ist auch nur Opfer dieser ganzen perfiden Marktmechanismen dachte ich, sei geduldig. Dann endlich auf der Stadtautobahn bekam ich Angst. Er fuhr erst mit 60 auf dem Mittelstreifen und spielte weiter am Telefon, wusste nicht wo lang. Dann hatte das Navi wohl endlich eingeloggt und er bretterte mit 120 wo 80 war wild mittig überholend Richtung Dreieck Funkturm.
Dann kam die neuralgische Stelle am Dreieck, wo man Richtung Potsdam abbiegen muss, aber nicht zu früh, sonst landet man auf dem Messedamm, das ist eine sehr unglückliche Wegeführung da. Auch nicht zu spät, dann fährt man weiter nach Norden. Sie müssen gleich rechts rüber, sage ich dem Fahrer gestenreich so 500 Meter vorher. Keine Reaktion. Bitte rechts rüber wiederhole ich 300 Meter vorher. Keine Reaktion. Mann, fahr rechts rüber schreie ich ihn hilflos 100 Meter vorher an und zeige wild mit beiden Armen auf das Schild: Potsdam, Potsdam. Er fährt ruckartig rechts rüber, auf die richtige Spur, dreht sich um und schreit etwas zurück, was ich nicht verstehe. Ich lehne mich völlig fertig in den Sitz und sage gar nichts mehr. Bis wir vorm Funkhaus stehen, ich gestresst und wütend ohne Trinkgeld zu geben aussteige und denke: Das geht so nicht.
Und dabei ist nicht die Sprachbarriere das Problem, die könnte man mit gutem Willen auf beiden Seiten easy überbrücken, geht ja im Ausland auf Reisen auch meistens irgendwie. Ich glaube der Mann wusste einfach überhaupt nicht, was von ihm verlangt war, weil es ihm nie jemand erklärt hatte. Kommunikation mit den Kunden und so. Als es nicht wie von ihm gedacht zum Flughafen ging, war er völlig überfordert. Eine für ihn und für mich echt unangenehme Fahrt, die mich an dem ganzen Modell der sogenannten neuen Fahrdienstleister ernsthaft zweifeln ließ.