100 Sekunden Leben - Pythagoras an der Käsetheke
Deutschland verlernt das Rechnen. Das ist das ernüchternde Ergebnis der neuen Pisa-Studie. Und da fragt sich unser Kolumnist Thomas Hollmann, wie sinnvoll ein Leben ohne Dreisatz ist.
Die gescholtenen 15-Jährigen dieser Republik könnten uns Kopfrechen-Boomer fragen, was wir eigentlich von ihnen wollen. Hat sich die Bundesregierung doch um 17 Milliarden verkalkuliert. Da sollte es nicht so wichtig sein, wenn sich Zehntklässler bei der zweiten Stelle hinterm Komma vertun. Außerdem weiß Google ja, was drei geteilt durch vier ist.
Google sitzt allerdings nicht an der Supermarktkasse. Dort sitzen häufig junge Frauen. Wenn ich denen 20,12 Euro in die Hand zähle, weil ich 19,07 Euro zu zahlen habe, gucken die mich an wie ein E-Auto - statt mir 1,05 Euro rauszugeben. Das ist ein Hobby von mir, möglichst wenig Münzen zurückzubekommen.
Ich würde mir so manche menschliche Enttäuschung ersparen, würde ich beim Einkaufen weniger rechnen. Und letztlich muss man auch gar nicht wissen, wieviel Prozent mehr das sind, wenn Lokführer nur noch 35 Stunden arbeiten, dafür aber 555 Euro zusätzlich bekommen - plus Inflationsprämie. Entscheidend ist, dass die GDL das fordert und nicht die Eisenbahnergewerkschaft. Deshalb lässt der Weselsky heute streiken, um die Konkurrenz von der EVG wie Nullen dastehen zu lassen. Dabei ist die Null eine sehr wichtige Zahl in der Mathematik.
Eine gewerkschaftliche Verhältnismäßigkeitsrechnung gibt es in der Mathematik allerdings nicht. Dafür gibt es den Satz des Pythagoras: a²+b²=c². Ich habe den Satz noch gelernt. Und auch wenn ich beim Einkaufen eher selten Käsedreiecke berechne, beruhigt es mich zu wissen, dass in jedem Dreieck die gleichen 180 Grad stecken. Egal ob Gouda, Camembert oder Parmesan.
Deshalb, liebe 15-Jährige, guckt euch den Satz des Pythagoras ruhig mal an. Auch wenn das keine neue Netflix-Serie mit einer dreiköpfigen Riesenschlange ist.