100 Sekunden Leben - Hässliches Deutschland
Die Länderchefs hatten mit Bundeskanzler Olaf Scholz viel zu diskutieren. Es ging ums Planungsrecht und Fragen rund um die Migration. Eine entscheidende Frage blieb allerdings unbeantwortet, sagt Kolumnist Thomas Hollmann.
Ich frage mich, ob Deutschland das wirklich schafft, sich hässlich zu machen? Menschen wollen ja attraktiv erscheinen und gemocht werden. Und bei Staaten verhält sich das mitunter ebenso. Jahrzehntelang wollte Deutschland nichts lieber, als von aller Welt gemocht zu werden. Aber beim Eurovision Song Contest gibt es trotzdem null Punkte. Vielleicht auch gerade deshalb. Von allen gemocht zu werden, hat etwas Aufdringliches.
Wir hatten früher bei uns in der Nachbarschaft auch so einen. Sven. Der hat uns Milky Way geschenkt. Mitspielen durfte Sven trotzdem nicht. Und je mehr er von uns gemocht werden wollte, desto mehr haben wir ihn verachtet. Ich weiß, das ist gemein, aber so war’s nunmal.
Engländern und Franzosen ist es egal, was die Welt von ihnen denkt. Die singen ihr Lied und fliegen wieder nach Hause. Und die Schweden landen beim ESC grundsätzlich weit vorne, auch wenn die schwedische Regierung gerade Flüchtlingen in aller Welt erklärt, warum sie mit Pippi Langstrumpf keinen Spaß haben werden und sie besser woanders hinziehen sollen.
Offensichtlich läuft in Europa ein Hässlichkeits-Wettbewerb: Wer ist die Unansehnlichste auf dem ganzen Kontinent? Das wird schwer für Deutschland, da mitzuhalten. Im Hässlich-Machen sind wir nicht geübt. Wollte unsere vormalige Kanzlerin sogar auswandern, im Falle unschöner Gesten. "Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."
Und jetzt? Wohin wird es Angela Merkel ziehen? So viele Länder fallen mir nicht ein, die sie attraktiv finden könnte. Und umgekehrt.