100 Sekunden Leben - Leckere Motten aus Freilandhaltung
Zugegeben, es klingt nicht so lecker: Getreideschimmelkäfer und Hausgrillen dürfen künftig im Essen enthalten sein. Die Zulassung kam gestern von der EU. Nun schlagen die Wellen der Aufregung mal wieder hoch. Unsere Kolumnistin hat zwar selbst schon diverse Insekten verzehrt – trotzdem bleiben für Doris Anselm hier noch ein paar Fragen offen.
Aus Erfahrung mit einem Bekannten, der sich für Survivalkram begeistert, kann ich allen besorgten Bürgern versichern: Jedes Lebewesen dieser Welt schmeckt, wenn man es lang genug frittiert, irgendwann exakt so wie trockenes Hühnchen. Wo der Typ im Wald die Fritteuse hätte herzaubern wollen, wurde mir zwar nie ganz klar, aber in seiner Küche hab ich schon Heuschrecken und Mehlwürmer gegessen, und die haben fast so langweilig geschmeckt wie Chicken Nuggets.
Es ist schon interessant, wovor sich so geekelt wird und wovor nicht. Ich persönlich hab ja oft mit Wurst Probleme, speziell mit Currywurst, weil ich da immer an die Frage "Mit oder ohne Darm?" denken muss, also an die eigentlich psychopathenhafte Idee, ein Wesen zu töten und dann in die Eingeweide eines anderen getöteten Wesens zu stopfen. Hannibal Lecter lässt grüßen.
Dagegen klingen Hausgrillen für mich harmlos, da soll die EU bitte zügig weitermachen. Zum Beispiel würde ich im Namen einer befreundeten Wohngemeinschaft gern wissen, ob auch Lebensmittelmotten essbar oder gar gesund sind. Bisher hieß es immer, die ziehen Schimmel an und könnten Allergien auslösen. Aber wer weiß. Die WG hätte sich jede Menge Streit und Zeit ersparen können, wenn womöglich das Schlimmste, was beim Befall passieren kann, ist, dass man eben ab und zu eine Motte im Müsli hat, und zwar eine aus Bio-WG-Freilandhaltung und nicht, wie die EU es jetzt als Kennzeichnung erlaubt, "teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus". So ein Pulver klingt doch schon wieder krass nach Industrie, nach Mikroplastik aus der Verpackung, Konservierungsstoffen und so weiter, und das ist, glaube ich, in Sachen Lebensmittelproduktion der Zukunft das größere Problem.