Viktor Orbán und Antonio Costa beim EU-Gipfel
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Interview - Hegedüs: Orbán spielt nicht mehr im europäischen Team

Beim EU-Sondergipfel hat Ungarn zwar für die Finanzpläne zur Aufrüstung gestimmt, nicht aber für die weitere Unterstützung der Ukraine. Experte Daniel Hegedüs sagt, Viktor Orbán balanciere, wie weit er gehen könne.

26 EU-Mitgliedstaaten haben sich beim Sondergipfel in Brüssel in einer Erklärung hinter die Ukraine gestellt. Ein Land fehlt dabei: Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orbán wollte sich nicht beteiligen - ein Beschluss kam durch die Blockade nicht zustande. Politikwissenschaftler Daniel Hegedüs vom German Mashall Fund sagt, Orbán wage es nicht, eine andere Position als Donald Trump zu übernehmen.

Die ungarische Regierung habe sich dessen Konzept angeschlossen, wonach die Ukraine zu weitreichenden einseitigen Zugeständnissen bereit sein müsse, um schnell einen Frieden zu erreichen. Das stehe der Strategie der Europäer entgegen. Die ungarische Regierung spiele somit "eigentlich nicht mehr in dem europäischen Team".

Hegedüs: Ungarn schwächt Unterstützung für die Ukraine

 

Orbán habe sich mit autoritären Großmächten verbündet, "um die Demokratie in dem Land selbst abbauen zu können". Der Ministerpräsident habe in der EU und der Nato die Unterstützung für die Ukraine - wo er konnte - geschwächt, "um eigentlich eine strategische Dienstleistung für Wladimir Putin leisten zu können".

Dafür habe es zwar innerhalb der EU immer mal wieder harte Kritik gegeben, Taten hätten allerdings nicht gefolgt, meint Hegedüs. Deshalb sei sich Orbán sicher, nichts zu verlieren zu haben. Ungarn sei ein Störfaktor. Der Ministerpräsident balanciere ständig, wie weit er gehen könne.

Hintergrund

EU kann sich nicht auf gemeinsame Ukraine-Position einigen

Die Staats- und Regierungschef der EU haben sich bei einem Gipfeltreffen in Brüssel auf keine gemeinsame Position zur Unterstützung der Ukraine einigen können. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wollte sich Ungarn nicht an einer von den restlichen 26 Staaten unterstützten Formulierung beteiligen.

Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU waren infolge der außenpolitischen Kehrtwende der USA unter Präsident Donald Trump in Brüssel zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Nach dem Stopp der US-amerikanischen Militärhilfe sollte die EU-Unterstützung für die Ukraine bei der Dringlichkeitssitzung in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt werden.

So wollten die Regierungsspitzen einem Entwurf einer Abschlusserklärung des Gipfeltreffens zufolge die bekannten EU-Positionen unterstreichen, wonach es etwa keine Verhandlungen ohne die Ukraine geben dürfe und die territoriale Integrität der Ukraine respektiert werden müsse.

Schon vor dem Gipfeltreffen in Brüssel, bei dem es auch einen Austausch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gab, hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán seine Blockadehaltung bei Unterstützungsentscheidungen deutlich gemacht. In einem Brief an EU-Ratspräsident Antonio Costa schrieb er, es gebe "strategische Unterschiede in unserem Ansatz gegenüber der Ukraine". Die EU solle dem Beispiel der USA folgen und direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und eine Einigung in der Ukraine führen.

In einer Gipfelerklärung wollte Orbán demnach lediglich auf eine moskaufreundliche UN- Sicherheitsratsresolution von US-Präsident Donald Trump verweisen, die Russland nicht als Aggressor benennt. dpa