Interview - Hasskriminalität gegen Politiker hat weiter zugenommen
Die Angriffe auf Kommunalpolitiker haben zuletzt deutlich zugenommen. Miriam Marnich vom Städte- und Gemeindebund sieht die Gefahr, dass sich immer mehr vom Ehrenamt abwenden.
Das Bundeskriminalamt - BKA - erstellt jetzt vor der Bundestagwahl tägliche Lagebilder zur Gefährdung von Amts- und Mandatsträgern. Dass das notwendig ist, zeigt die Statistik aus dem Superwahljahr 2024 mit Europa- und Landtagswahlen: Angriffe auf Amts- und Mandatsträger hatten im Vergleich zu 2023 deutlich zugenommen.
Miriam Marnich ist als Referatsleiterin beim Deutschen Städte- und Gemeindebund unter anderem zuständig für den Bereich Hasskriminalität und Gewalt gegen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Sie berichtet von einer ganzen Bandbreite von Aggressionen gegenüber den Opfern:
Von Beschimpfungen bis Drohungen und körperlicher Gewalt
"Es beginnt oft sehr niedrigschwellig, mit unfreundlichen oder beleidigenden Kommentaren, die sich aber oftmals nicht mehr um die Sache drehen, sondern die persönlich werden. […] Und das steigert sich dann zu Hass, herabwürdigenden und menschenverachtenden Anfeindungen, diffusen Drohungen."
Jene Drohungen richteten sich dabei gar nicht unbedingt gegen die Politikerinnen selbst, sondern auch gegen Mitarbeitende oder Familienmitglieder: "Solche Drohungen wie: Ich weiß, wo Dein Kind zur Schule oder in die Kita geht." Das steigere sich dann bis hin zu Belagerungen vor den privaten Wohnhäusern oder bedrohlicher Post, etwa mit Tierkadavern. Als letzte Stufe gebe es dann Sachbeschädigung und körperliche Angriffe.
Marnich: "Massives Problem, das uns alle angehen sollte"
Etwa 35 bis 40 Prozent der Kommunalpolitikerinnen und -politiker hätten solche Vorfälle bereits erlebt. Man können gut erkennen, so Marnich, dass immer, wenn es Krisen, Kriege oder besondere gesellschaftspolitische Debatten gebe, die Zahlen tendenziell nach oben gingen.
Marnich sieht in der Entwicklung die Gefahr, dass immer mehr Menschen darauf verzichteten, sich ehrenamtlich oder politisch zu engagieren. "Das ist ein massives Problem, das uns alle etwas angehen sollte. Weil wenn diese Menschen nicht mehr bereit sind, […] dann droht uns allen ein ernsthafter Schaden am Fundament unserer Demokratie."