Interview - Medienpsychologe: Negative Effekte durch digitale Medien nicht erkennbar
36 Prozent der Deutschen wollen eine digitale Auszeit nehmen. Dabei sind die negativen Effekte des Medienkonsums keineswegs belegt, sagt Medienpsychologe Hannes-Vincent Krause.
Ein Drittel der Menschen in Deutschland ab einem Alter von 16 Jahren plant für 2025 eine digitale Entgiftung – „Digital Detox“. Das geht aus einer Studie des Digitalbranchenverbands Bitkom hervor. Im Schnitt wollen diese Leute sechs Tage lang auf die Nutzung digitaler Geräte wie das Smartphone und Anwendungen wie Social Media verzichten. Aber ist das überhaupt notwendig?
Keine belastbaren Zahlen zum Schaden durch Mediennutzung
Hannes-Vincent Krause ist Medienpsychologe und forscht am Weizenbaum-Institut und an der Uni Potsdam zu den Auswirkungen digitaler Technologien auf das menschliche Wohlbefinden, die Psyche, das Verhalten. Seine Erkenntnis: Es gibt bisher keine belastbaren Zahlen.
"Wir können immer noch nicht sagen, dass soziale Medien oder digitale Medien oder Smartphones tatsächlich ein großes Risiko für uns darstellen. Das findet sich in den Meta-Analysen nicht, dieses starke Narrativ, das auch in unserer Gesellschaft auch vorherrscht, dass es so wahnsinnig schlimm wäre. Wir finden sehr kleine Effekte."
Medienforscher: Wunsch nach "Digital Detox" zeigt Reflektion
Die Effekte der Mediennutzung scheinen demnach sehr von Person zu Person zu variieren – und je nachdem, in welchen Situationen die Technologie genutzt wird, so Krause. Insbesondere der Effekt der sozialen Medien auf die Psyche sei deutlich besser, als allgemein vermutet: "Wenn wir soziale Netzwerke dafür nutzen, um neue Kontakte zu knüpfen, dann zeigen sich schon positive Effekte. Wir kommen zueinander, wir fühlen uns weniger isoliert."
Den Wunsch vieler Menschen nach einem "Digital Detox" begrüßt der Forscher dennoch: "Zumindest zeigt sich für mich, dass da eine Reflektion über den Medienkonsum herrscht." Ein bewusster und kompetenter Umgang mit Medien sei das Wichtigste: Dass man genau hinschaue und differenziere, welche Apps, welche Inhalte einem in welchen Situationen nicht guttäten.