Tausende von Menschen demonstrieren nach den islamistischen Anschlägen von Paris im Januar 2015 auf der Place de la République. (Archivbild)
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Interview - Terrorismusexperte: Anschlag auf "Charlie Hebdo" war Anfang einer Welle

Am Dienstag wird an den Anschlag auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" vor zehn Jahren erinnert. Terrorismusexperte Peter Neumann sagt, heute kommen wieder mehr Anschläge. Er spricht über die Gründe und mögliche Hebel.

Vor genau zehn Jahren sind zwei islamistische Angreifer in die Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo" eingedrungen und haben dort und auf der anschließenden Flucht zwölf Menschen getötet.

"Was mit 'Charlie Hebdo' passiert war, war sozusagen der Anfang einer Welle", sagt Peter Neumann, Terrorismusforscher am King’s College in London. Es folgten Anfang der 2010er-Jahre mehrere islamistische Anschläge in Europa. Die Lage habe sich bis zur Pandemie beruhigt. "Und jetzt kommen wieder mehr Anschläge. […] Und die Befürchtung ist, dass diese Welle jetzt wieder zurückkommt."

Gründe für Zunahme an Anschlägen: Hamas-Angriff und Internet

 

Laut Neumann haben sich durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 die Konflikte im Nahen Osten wieder verstärkt. "Und die inspirieren jetzt Attentäter wieder, sodass sich der IS [selbsternannter Islamischer Staat] da wieder draufsetzt, versucht das für seine Sache zu instrumentalisieren."

Zudem gebe es einen starken Einfluss des Internets: "Viel stärker als noch vor zehn Jahren, wo sich viele der jungen Attentäter radikalisieren." Gezielt würden im Netz Teenager angesprochen. "Zwei Drittel der in Westeuropa in den letzten zwölf Monaten Verhafteten wegen Terrorverdachts sind 19 Jahre und jünger", so der Experte. Auf diese Entwicklung gehe die Präventionsarbeit stärker ein.

Neumann (CDU): Müssen uns auch den Bereich Flucht und Asyl konzentrieren

 

Um dem Problem zu begegnen, brauche es eine Reihe von Hebeln. Unter anderem müsse man laut Neumann mit den Internetanbietern strenger sein. Außerdem müsse die Polizei konkret in die virtuellen Räume reingehen. Zudem müsse man sich auch auf den Bereich Flucht und Asyl konzentrieren, "denn da kommen auch viele Attentäter her", sagt Neumann, der auch Mitglied der CDU ist.

Der Experte betont dennoch: "99,998 Prozent derjenigen, die in den letzten zehn Jahren nach Deutschland gekommen sind, sind nicht Terroristen geworden." Allerdings komme von denen, die terrorverdächtig sind, eine ganz hohe Anzahl aus dem Bereich Flucht und Asyl.

Bessere Zusammenarbeit von Behörden in Europa

 

Im Kampf gegen den Terror müssten die Bereiche Innere und Äußere Sicherheit noch besser zusammenarbeiten, sagt Neumann, "weil natürlich Terroristen sich immer über Grenzen hinweg organisieren." Er verweist auf Anschläge wie "Charlie Hebdo" und Brüssel.

"Das waren die gleichen Attentäter, die nur an unterschiedlichen Orten gelebt haben." Daher müssten vor allem die europäischen Behörden noch besser miteinander kooperieren und Daten austauschen, sagt der Terrorismusexperte.

Hintergrund

Gedenken an Anschlag auf "Charlie Hebdo"

In Frankreich wird am Dienstag an die Opfer des Anschlags auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" vor zehn Jahren erinnert.

Dabei halten unter anderem Präsident Macron und die Bürgermeisterin von Paris, Hidalgo, eine Schweigeminute vor dem ehemaligen Gebäude der Redaktion ab. Zwei Brüder haben damals die Räume gestürmt und dort und auf der Flucht insgesamt zwölf Menschen erschossen.

Die Tat löste anschließend international eine Welle der Solidarität unter dem Motto "Je suis Charlie" aus. Die Zeitschrift war im Visier von Islamisten, weil es Karikaturen des Propheten Mohammed gedruckt hat.

Zum Jahrestag des Anschlags hat "Charlie Hebdo" eine Sonderausgabe veröffentlicht. Wo die Redaktion heute arbeitet, ist streng geheim - einzelne Mitarbeiter stehen noch immer unter Polizeischutz.