Interview - Bergius-Schule: Ex-Schulleiter empfiehlt klare Regeln und viele Gespräche
Die Lehrkräfte der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau klagen über unhaltbare Zustände. Der ehemalige Schulleiter Michael Rudolph empfiehlt klare Regeln und viele Gespräche.
Gewalt, Beleidigungen, Mobbing, dauerhaftes Schwänzen: Der Brandbrief von Lehrkräften der Friedrich-Bergius-Schule am Perelsplatz in Berlin-Friedenau ist ein lauter, verzweifelter Hilferuf von Pädagogen, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Sie fühlen sich bedroht, missachtet, von Schülerinnen und Schülern, denen Leistungsdenken fern sei, die asoziales Verhalten an den Tag legten, schreiben sie an die Schulaufsicht. Sie müssten den Großteil ihrer Zeit erziehen, statt zu unterrichten, beklagen die Lehrkräfte.
Michael Rudolph war bis zu seinem Ruhestand vor drei Jahren Schulleiter der Friedrich-Bergius-Schule. Auch er findet die Entwicklung erschreckend. Als er 2005 die Schule übernahm, war sie in einem ähnlichen Zustand, erzählt er. Mit einfachen Maßnahmen konnte er die Situation damals in den Griff bekommen. Den Anfang machte er mit einem Schwerpunkt, auf den man vielleicht nicht sofort kommen würde – den Verspätungen.
Wer zu spät kommt, fegt den Hof
"Es kamen damals 40, 50 Schüler von diesen 350 Schülern zu spät, ganz ohne Schuldbewusstsein, einfach so. Das hat natürlich unheimlich den Unterrichtsbetrieb gestört. […] Wir haben dann ein System entwickelt […]: Die Schüler wurden früh reingelassen und sobald es klingelte zur Stunde wurde die Tür ins Schloss fallen gelassen […] und konnte von außen nicht mehr geöffnet werden. Verspätete Schüler klingelten, wurden reingelassen, wurden registriert. Und das ist das entscheidende: Sie durften nicht dann in die erste Stunde gehen, sondern sie mussten eine gemeinnützige Arbeit machen. Also jetzt um die Jahreszeit hätten die Blätter gefegt."
Das Ergebnis: Innerhalb kurzer Zeit gingen die Verspätungen auf ein Minimum runter. "Da hat jeder Schüler mitbekommen und das war ganz zentral, dass die ganze Schulgemeinschaft gemerkt hat: Da passiert jetzt irgendwas, da werden Grenzen gesetzt. Und dann wurde es leichter, auch andere Grenzen zu setzen", erzählt Rudolph.
Rudolph: Ob eine Schule funktioniert, entscheidet sich vor Ort
Viel hat der ehemalige Schulleiter auch durch Gespräch mit den Schülern erreicht. "Darauf habe ich immer sehr viel Zeit verwendet und habe genau zugehört, hab den Schüler reden lassen: Was ist los, was hast Du gemacht, was ist das Problem? Und habe dann lange mit dem Schüler darüber gesprochen. Dann hat der hinterher was darüber aufgeschrieben: Ich habe heute das und das falsch gemacht, ich will aber später Fußballer werden und dann geht das nicht."
Das sei für ihn ganz zentral gewesen, sagt Rudolph: "Die Schüler wussten, dass sie etwas falsch gemacht haben und sie haben sich auch durchaus bemüht, das wieder richtig zu machen. Das ist ja nicht so, dass Schüler alle die Regeln brechen wollen."
Von der Schulaufsicht erwartet der Pädagoge wenig: "Die haben auch nur begrenzte Möglichkeiten und wenn man eine Schule verändern will oder entwickeln will, dann geht das nach meiner Erfahrung nur vor Ort, das heißt, die Leute, die vor Ort die Arbeit machen, die die Verantwortung tragen, die müssen sich zusammenraufen, müssen einen Weg finden. Die Schulaufsicht kann das begleiten, aber ob eine Schule funktioniert, entscheidet sich vor Ort."