Interview - Juristin: Urteil befreit Shell nicht von Klimaschutzpflichten
Shell muss seine Kohlendioxid-Emissionen doch nicht drastisch senken, hat ein Berufungsgericht in Den Haag entschieden. Das Urteil entbinde den Energiekonzern aber nicht von seiner Verantwortung beim Klimaschutz, sagt die Rechtsanwältin Roda Verheyen.
Im 2021 hat ein niederländisches Gericht nach Klagen einer Umweltschutzorganisation Shell zu deutlichen Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet: Demnach muss der Konzern seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent senken - ebenso seine Zulieferer und Kunden. Jetzt hat ein Berufungsgericht in Den Haag das Urteil gekippt.
Verheyen: Rechtsstreit wird in Revision gehen
"Es steht jetzt 1:1", sagt die Rechtsanwältin und Umweltaktivistin Roda Verheyen. Der Rechtsstreit werde jetzt in die Revision gehen. Das Urteil besage aber nicht, dass Shell keine Klimaschutzpflichten habe. "Im Gegenteil, es wird an vielen Stellen im Urteil klargestellt, dass Unternehmen, die viele Emissionen zu verantworten haben, sehr große Klimaschutzpflichten haben", so Verheyen. "Der eine Grund, warum überhaupt abgewiesen wurde ist, dass man meint, dass Shell aufgrund seiner eigenen Selbstverpflichtung diese Pflichten schon erfüllt."
Shell hatte argumentiert, dass es im Pariser Klimaabkommen keine Verpflichtung für Unternehmen gibt, ihren Schadstoffausstoß zu senken. Außerdem könnten das nur Regierungen anordnen und nicht Gerichte. In diesem Punkt habe das Unternehmen aber nicht Recht bekommen, betont Verheyen. Im Urteil werde betont, dass Klimaschutzverpflichtungen sowohl Staaten als auch private Emittenten treffen könnten - "insbesondere, wenn sie eben so große Mengen an Emissionen verantworten", so die Juristin.