Interview - Fratzscher: Auch Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen
Auf dem Deutschen Arbeitgebertag beraten Firmenchefs und Politiker über Strategien für die kriselnde Wirtschaft. DIW-Chefökonom Marcel Fratzscher sagt: Nicht nur die Politik muss investieren - auch Unternehmen sollen mehr anpacken.
Bundeskanzler Olaf Scholz musste sich auf dem Deutschen Arbeitgebertag eine Menge Kritik anhören: Der Standort ist unattraktiv für Arbeitgeber, es gibt zu viel Bürokratie, die Infrastruktur ist marode. Die Meckerliste ist lang, verständlich: Der Wirtschaft geht es tatsächlich schlecht.
Den Vorwurf nur in Richtung Bundesregierung zu richten, hält der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher dennoch für falsch: "Es ist ja nicht so, dass die Politik für alles verantwortlich ist oder die Wirtschaft retten könnte", so Fratzscher. Ja, die Politik müsse mehr investieren, so der Ökonom. "Aber die Unternehmen, die Arbeitgeber, sind ganz genau so dafür verantwortlich."
"Unternehmen haben große Fehler gemacht"
Die 2010er Jahre seien zwar ein wirtschaftlich goldenes Jahrzehnt für Deutschland gewesen. Allerdings bemängelt Fratzscher: "Viele Unternehmen haben große Fehler gemacht. Zum Beispiel die Automobilbranche, die wichtige Entwicklungen verschlafen haben." Auch hätten sich die Hersteller zu abhängig vom chinesischen Markt gemacht.
Fratzscher fordert darum: "Die Unternehmen müssen mehr Verantwortung übernehmen. Sie müssen vor allem schneller werden bei der technologischen Transformation." Auf der anderen Seite müsse sich auch die Politik ehrlichmachen: "Der Kurs, den die Politik in Deutschland die letzten 15 Jahren gefahren hat - nämlich auf gar keinen Fall Steuererhöhungen, die Schuldenbremse unbedingt einhalten und gleichzeitig mehr investieren - das ist nicht möglich."
Politik muss mehr investieren
Am Ende seien die Investitionen das Opfer dieser Politik gewesen. Die Konsequenz müsste laut dem Wirtschaftsexperten deshalb lauten: "Man muss entweder die Schuldenbremse aussetzen, um mehr investieren zu können, oder sie reformieren." Tue man dies nicht, so Fratzscher, müsse man über Steuererhöhungen sprechen. "Wenn wir das nicht lösen, wird es auch in der neuen Bundesregierung so weitergehen, dass wir zu wenig investieren in Deutschland."