Bei einer Demo in Berlin stehen sich - getrennt von der Polizei - pro-palästinensische und pro-israelische Demonstrierende gegenüber.
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Interview - Anwältin Ateş: "Vor diesem Mob haben viele Leute Angst"

Die Debatte über Nahost wird auch hierzulande verschärft öffentlich ausgetragen. Anwältin Seyran Ateş sagt: Viele Musliminnen und Muslime trauen sich nicht, ihre Haltung zu dem Thema nach außen zu tragen.

Gedenkveranstaltungen zum 07. Oktober gab es überall - auch in Deutschland. Das zentrale Gedenken an das Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel fand in Berlin statt. Der Bundespräsident spricht von Trauer, Wut, Ohnmacht, Angst. Und immer wieder Aufrufe zum Kampf gegen Antisemitismus. Diesen Kampf führt auch Seyran Ateş, deutsche Rechtsanwältin, geboren in Istanbul in der Türkei. Sie ist nicht nur gegen Antisemitismus, sie ist vor allem für einen modernen Islam - und eine der ersten weiblichen Imame in Europa.

Ateş: "Das sind Nachbarn. Die müssen mit diesen Menschen auskommen."

Die Gewaltausbrüche bei pro-palästinensischen Demonstrationen, so Ateş, seien nicht im Sinne der Mehrheit der Muslime hier. Aber: "Die allermeisten Muslime haben Angst davor, ihre Meinung in der Form zu äußern, wie ich es tue […]. Sie trauen sich nicht, weil sie Angst vor der Gewalt haben. Und das bestätigt sich ja jedes Mal, immer wieder, wenn Demonstrationen wie gestern und vorgestern stattfinden: Vor diesem Mob haben viele Menschen Angst."

Selbst in Neukölln lebten viele Menschen, die das nicht gut finden, was beispielsweise in der Sonnenallee verbreitet werde. "Aber auch da", so die Anwältin, "gilt wieder: Das sind Nachbarn. Die müssen mit diesen Menschen auskommen, die Kinder müssen in der Schule mit diesen anderen Kindern auskommen."

Muslimische Verbände sind "das größte Problem"

Ateş betreibt unter anderem mit dem "Demokratie-Mobil" viel Bildungsarbeit an Brennpunkt-Schulen. Dort stellt sie fest, dass es immer nur wenige aggressive Wortführer seien. "Ganz viele Kinder sagen uns dann im Nachhinein hinter vorgehaltener Hand, dass sie das ganz toll finden, was wir machen."


Scharfe Kritik übt die Imamin an den muslimischen Verbänden. Diese seien "das größte Problem, das wir haben." Es handele sich in der Regel um orthodoxe und konservative Verbände, die stark aus dem Ausland beeinflusst würden – und wiederum die Muslime hier beeinflussen würden. Die Verbände hätten dazu beigetragen, dass viele der Menschen sich nicht als Deutsche oder Europäer, sondern in erster Linie als Muslime betrachteten.

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