Rauch von schweren israelischen Luftangriffen steigt aus dem südlibanesischen Dorf Jabal al-Rihan auf.
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Interview - Konfliktforscher: Hisbollah ist keine kleine Gurkentruppe

Die israelische Armee und die schiitische Hisbollah im Libanon liefern sich weiter heftige Gefechte. Der Politologe Jannis Grimm ordnet die aktuellen Entwicklungen ein. Er sieht in einem Waffenstillstand einen ersten möglichen Schritt für eine längerfristige Lösung.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht am Freitag bei der UN-Vollversammlung in New York, wo ein Plan für eine Waffenruhe auf dem Tisch liegt. Zeichen der Entspannung werden aktuell nicht erwartet.

Jannis Grimm, Politologe am Institut für Friedens- und Konfliktforschung der FU Berlin, spricht von einem Muster beim Manövrieren um den Vorschlag zur Feuerpause. Ein zwischen dem Weißen Haus und der israelischen Regierung abgestimmter Vorschlag werde von Netanjahu "torpediert, um sich Zeit zu erkaufen."

Aus militärischer Sicht sei Israel aktuell in der Offensive. "Die Hisbollah hat sehr viel einstecken müssen." Der Krieg im Libanon sei auch ein gutes Mittel, um die Aufmerksam davon abzuziehen, was im Gazastreifen passiert, so der Forscher.

"Luftschläge sind sehr rücksichtslos"

 

"Die israelische Armee trifft die Hisbollah definitiv sehr sensibel, sie trifft aber auch sehr viel anderes dabei." Die Luftschläge seien sehr rücksichtlos. "Da wird massiv bombardiert unter Inkaufnahme von sehr, sehr vielen zivilen Verlusten." Das habe im Libanon Schock, Terror und Flucht zur Folge. Die Menschen seien in Panik und fühlten sich nirgendwo sicher.

Auf der anderen Seite, betont der Konfliktforscher, sei die schiitische Hisbollah-Miliz "nicht eine kleine Gurkentruppe, sondern die Hisbollah ist die größte nichtstaatliche Armee der Welt und die schlagkräftigste". Die Hisbollah sei zudem in einer Allianz mit vielen anderen Milizen der Region und in den Gazakrieg eingetreten.

Konfliktforscher: "Diplomatische Lösungen durchaus möglich"

 

Es gebe im Konflikt auch diplomatische Lösungen, sagt Grimm. "Ein kurzfristiger Waffenstillstand, wie jetzt vorgeschlagen, das könnte ja auch der erste Schritt sein für eine längere Lösung." Eine Frage sei, ob Israel einen bewaffneten Akteur an seiner Nordgrenze akzeptieren würde. Auf der anderen Seite sei fraglich, ob sich die Hisbollah zurückhalten würde.

"Wenn man so viel investieren würde [...] in eine Wahrung eines kalten Friedens, das heißt eine richtige UN-Truppe, die auch robust ist und sowas durchsetzen kann - beispielsweise an der Grenze eine Demilitarisierung und Ähnliches - dann gäbe es auch durchaus diplomatische Lösungen dafür", so Konfliktforscher Grimm.

Hintergrund

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Israel und die Hisbollah liefern sich weiter heftige Kämpfe. Bei der UN-Vollversammlung rief Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Mitgliedsstaaten am Donnerstag auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern.

Am Freitag soll auch der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu eine Rede bei den Vereinten Nationen halten. Bisher lehnt Netanjahu eine geforderte Waffenruhe ab.

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