Interview - Politologe: BSW-Unvereinbarkeitsbeschluss nicht wahrscheinlich
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen fordern CDU-Mitglieder einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW. Der Politologe Oliver Lembcke sieht Thüringen einen Schritt vor der Unregierbarkeit.
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist eine Regierungsbildung weiter schwierig. Denn mit der AfD will niemand regieren. Gegen eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) regt sich Widerstand in der CDU. Rund 70 Mitglieder fordern den Unvereinbarkeitsbeschluss der eigenen Partei, der bislang für AfD und Linke gilt, auf das BSW auszuweiten.
Es gebe einerseits eine programmatische Ebene dafür, erklärt Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum. Das BSW stehe für eine Absage an Elemente, die für die CDU als unverhandelbar angesehen werden. Dazu zählen etwa die EU-Integration oder die Westbindung inklusive Nato. "Und auch die Russlandnähe aktuell ist ein echter Dorn im Auge für viele derjenigen, die sich dieser CDU-Initiative angeschlossen haben."
Darüber hinaus sei für einige CDU-Politiker die Rolle von Sahra Wagenknecht, Frontfrau des BSW, als Spitze des kommunistischen Blocks in der Linkspartei noch nicht ausreichend thematisiert worden.
Politologe: Bündnis mit BSW führt bei CDU zu "ideologischen Bauchschmerzen"
Dass die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen das BSW fällt, hält der Politologe für nicht sehr wahrscheinlich. CDU-Chef Friedrich Merz habe den CDU-Spitzenkandidaten Mario Vogt (Thüringen) und Michael Kretschmer (Sachsen) Beinfreiheit ermöglicht und die Schnittmengen zu anderen Parteien herausgestrichen, so Lemcke.
Sollte es zu einem Bündnis zwischen CDU und BSW kommen, werde die Union "ideologische Magenschmerzen" haben, die sie nie wieder loswerden wird, so der Politologe. Allerdings stehe man in Thüringen einen ganz kurzen Schritt vor der Unregierbarkeit. Dort sei - ohne die AfD - rechnerisch nur eine Mehrheit aus CDU, BSW und der Linken möglich. "Das ist ein Albtraum für jeden Christdemokraten."
Merz, Wüst und Söder sind "ostblind"
Zwar sei die Lage ein Riesenproblem für Merz, es werde aber keine Diskussionen über seine Person geben. Denn auch andere Unionspolitiker wie Hendrik Wüst oder Markus Söder würden an seiner Stelle genauso mit leeren Händen in der Diskussion dastehen. Niemand habe für dieses Szenario vorgebaut. "Alle sind sie - wenn man so sagen darf - ostblind", sagt Oliver Lembcke.