Am 23. August 1939 unterzeichneten der Außenminister des Deutschen Reiches, Joachim von Ribbentrop (l) und der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow (vorn) in Moskau den deutsch-russischen Nichtangriffspakt. (Bild: picture-alliance /dpa/DB)
picture-alliance /dpa/DB
Bild: picture-alliance /dpa/DB Download (mp3, 9 MB)

Interview - Nichtangriffspakt vor 85 Jahren: "Folgen waren dramatisch"

Im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 teilten die beiden Diktatoren Staaten im Osten Europas untereinander auf. Damit befasst sich nun eine Ausstellung im Museum Berlin-Karlshorst. Die Folgen für die Länder waren dramatisch, sagt Kurator Christoph Meißner.

"Riss durch Europa" – so heißt die neue Ausstellung im Museum Berlin-Karlshorst. Sie befasst sich mit einem Ereignis kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges: Vor 85 Jahren, am 23. August 1939, unterzeichneten das Deutsche Reich und die Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag, dem ein geheimes Zusatzprotokoll angefügt war. Darin wurde festgelegt, wie Länder in Osteuropa unter den beiden Mächte aufgeteilt werden.

Der Kurator der Ausstellung, Christoph Meißner, sagt, die Sichtweisen auf das Ereignis seien sehr unterschiedlich. Länder wie Polen, Rumänien, Finnland und die baltischen Staaten hätten als Folge der Vereinbarung ihre Souveränität und ihre Territorien verloren; ihre Gesellschaften seien mit Terror überzogen worden.

„Diese Länder sind Opfer dieses Paktes geworden. Sie sind von den Folgen des Paktes unmittelbar betroffen. Während in Deutschland und auch in Russland, als die Staaten, die sich damals geeinigt haben, dieser Pakt eben anders gelesen wird.“

In Deutschland sei er zum Teil in Vergessenheit geraten und werde als ein weiteres Ereignis auf dem Weg zum Zweiten Weltkrieg gesehen. Russland deute das Vertragswerk als „diplomatischen Meister-Coup“ von Stalin, durch den die Sowjetunion zwei Jahre Zeit gewonnen habe, bevor auch sie von der deutschen Wehrmacht angegriffen wurde.

Opfer-Perspektive wird gezeigt

 

Um die verschiedenen Perspektiven zu zeigen, wurden sogenannte "Länderinseln" gebildet, in denen die politischen und gesellschaftlichen Folgen für die betroffenen Staaten gezeigt werden. Dabei geht es auch um die Erinnerung. "Wie erinnern sie sich heute bzw. wie haben sie sich nach dem Zerfall der Sowjetunion, als sie wieder unabhängige Nationalstaaten werden konnten, daran erinnert?"

Ein weiterer Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Pakt an sich - wie das Deutsche Reich und die Sowjetunion übereinkamen, welche Vorteile sie davon hatten und welche Kooperationen durchgeführt wurden.

Auch die Ukraine wird behandelt. Das Land habe damals als Sowjetrepublik Teile von Polen und Rumänien bekommen, sagt Meißner. Und ist derzeit Opfer eines Angriffskriegs von russischer Seite. Hier wolle man auch Verknüpfungen in die Gegenwart ziehen. Aber anders als damals sieht der Ausstellungsmacher derzeit keinen „Riss durch Europa“. Denn Europa stehe an der Seite der Ukraine.

Wie das Museum in einer Mitteilung erklärt, wurde der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 vom Stillhalte-Abkommen mit der Sowjetunion begünstigt. Kurz darauf marschierte auch die Rote Armee im Osten Polens ein. Sie griff wenig später Finnland an und besetzte im Sommer 1940 Estland, Lettland und Litauen sowie Teile Rumäniens. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 zerbrach das Bündnis.

Die Ausstellung ist noch bis zum 26. Januar 2025 zu sehen. Der Eintritt ist frei.