Israelische Luftabwehrsysteme fangen aus dem Libanon abgeschossene Raketen ab.
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Interview - Politologe zu Nahost: Schlimmste Entwicklung wäre Flächenbrand

Seit Wochen nehmen die Spannungen zwischen Israel, dem Iran und dessen verlängertem Arm im Libanon, der Hisbollah, zu. Der Historiker und Politikwissenschaftler Ulrich Schlie erkärt, wie Bewegungen der Annäherung in der Region "zunichte gemacht" worden seien.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verfolgt mit seiner Politik angesichts der Drohungen aus dem Iran nach Ansicht von Ulrich Schlie derzeit mehrere Ziele. "Die oberste Zielsetzung ist für ihn der Schutz des Territoriums und der Menschen in Israel", so der Historiker und Politikwissenschaftler an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Dieses sei verbunden mit dem Ziel, einen Mehrfrontenkrieg abzuwehren, Stärke zu demonstrieren und politisch zu überleben und im Amt zu bleiben.

Unter den derzeitigen Spannungen seit dem terroristischen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 leidet Schlie zufolge insbesondere das eigentlich zuletzt verbesserte Miteinander in der Region. Die Beziehungen zu Saudi-Arabien seien auf einem "bemerkenswert guten Weg" gewesen, aber mittlerweile "zunichte gemacht" worden. Auch das Verhältnis zu Jordanien sei betroffen.

Russlands Interessen


Die Gefahr, die für Israel aber auch die gesamte Region bestehe, ist Schlie zufolge eine Entwicklung des Mächtegleichgewichts zuungunsten Israels. "Das ist vor allem die Zielsetzung, die der Iran verfolgt und seine Proxies [Anm. d. R.: Stellvertretende Akteure], also die Huthis im Jemen, die Hisbollah im Libanon und militante Gruppen im Irak." Die schlimmste Entwicklung, so Schlie, wäre "der viel zitierte Flächenbrand".

Schlie sieht des Weiteren ein unmittelbares Interesse Russlands, das jüngst eine hohe diplomatische Delegation in den Iran geschickt hatte, an dem Konflikt. "Wir können davon ausgehen, dass Russland alles tut, um in dem gegenwärtigen Konflikt die Vereinigten Staaten zu schwächen und möglichst viel Unordnung und Unruhe in die Region hineinzubringen", so Schlie.