Interview - Diabetologe: Abnehmspritze wirkt, wo Adipositas verankert ist
Diabetiker-Medikamente versprechen auch Nichtdiabetikern großeAbnehmeffekte. Die Spritze wirkt, sagt Matthias Laudes von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft - wenn sie vernünftig eingesetzt werden.
Von einer "Wunderspritze" war die Rede, als Präparate mit dem Wirkstoff Semaglutid auf den Markt kamen. Eigentlich ein Medikament für Diabetiker, sind sie auch als "Abnehmspritze" bekannt. Medikamente wie Ozempic und Wegovy, die auf Semaglutid basieren, gelten als die Waffen im Kampf gegen die Volkskrankheit Übergewicht.
Bislang wusste man noch sehr wenig über Wirkung und Nebenwirkung der "Abnehmspritzen", doch inzwischen wird die Studienlage immer besser. Professor Matthias Laudes ist Direktor des Instituts für Diabetologie und klinische Stoffwechselforschung am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und Vizepräsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Er sagt:
Bei vernünftigem Einsatz ist die Spritze wirkungsvoll
"Wenn sie vernünftig eingesetzt werden, sind [die Abnehmspritzen] tatsächlich so gut wie man sagt. Weil sie im Prinzip genau dort wirken, wo wir davon ausgehen, das Hauptproblem der Adipositas auch verankert ist." Die Spritze aktiviere ein körpereigenes Hormon, das dem Gehirn sage, "dass Essen angekommen ist - und das Gehirn kann dann Sättigungsempfinden entwickeln."
Die auftretende Übelkeit durch das Medikament ist für Laudes eher eine Wirkung, denn eine Nebenwirkung. Sie entstehe dadurch, dass das Essen länger im Magen bleibe. Das nehme mit der Zeit aber ab, "weil natürlich durch die Verbesserung des Sättigungsempfindens die Leute weniger essen und dann kommt auch diese Verzögerung der Magenentleerung nicht so zur Wirkung."
Evolution hat dem Menschen antrainiert, zu viel zu essen
Die Evolution habe dem Menschen antrainiert, immer ein bisschen zu viel zu essen, so der Mediziner. Das Mittel normalisiere das wieder, "man bringt das Sättigungsempfinden wieder auf ein normales Maß, dass man im Prinzip genau so viel ist, wie man letzten Ende auch verbraucht."
Ein Freifahrtschein zum grenzenlosen Essen ist die Spritze also mitnichten. Ohne eine parallele Ernährungsumstellung sei ihr Einsatz nicht sinnvoll, sagt Laudes. Dabei helfe sie aber. Die Kassen übernehmen die Kosten für die Spritze bislang nur bei Diabetikern, stark adipöse Menschen können es zumindest versuchen, eine Übernahme durch die Kassen zu erreichen.