Interview - Deutsche Waffen gegen Russland - was bedeutet das?
Die Ukraine darf deutsche Waffen gegen Ziele in Russland einsetzen, um sich zu verteidigen. Nach den USA hat auch die Bundesregierung ihr Okay zu solchen Einsätzen gegeben. Das sei sinnvoll, könne aber irgendwann auch für andere Zwecke genutzt werden, sagt Ralph Thiele, Bundeswehroberst a.D. und Vorsitzender der Politisch-Militärischen Gesellschaft.
Deutsche Waffen dürfen unter bestimmten Voraussetzungen künftig auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden. Die Entscheidung fiel wegen der verstärkten Attacken auf die nordostukrainische Stadt Charkiw. Die Ukraine habe das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen diese Angriffe zu wehren, sagte ein Sprecher der Bundesregierung. Der Vorsitzende der Politisch-Militärischen Gesellschaft, Ralph Thiele, sieht das ähnlich.
Ein militärischer Erfolg der Ukraine in Charkiw sei jetzt wichtig, damit die 1.000 Kilometer lange Front gehalten werde, so Thiele: "Das kann man in Charkiw und Umgebung nur, indem man auch über die russische Grenze schießt." Denn Russlands Präsident Wladimir Putin beabsichtige, mit seinen Angriffen auf die Millionenstadt die ukrainischen Truppen an anderen Frontabschnitten zu schwächen.
Es gehe nicht darum, nun tief in russisches Territorium vorzudringen und dort Zerstörungen anzurichten, sagt Thiele. In der Regel hätten die Waffensysteme eine Reichweite von 20 bis 40 Kilometern, im Höchstfall von bis zu 300 Kilometern.
Vielmehr gehe es darum, etwa die Luftverteidigung zu sichern und russische Kampflugzeuge daran zu hindern, ihre Bomben an die Front zu bringen.
Thiele: Ukraine könnte Waffen auch anders einsetzen
Der Oberst a.D. räumt allerdings ein, dass man nicht verhindern könne, dass die Ukraine die Waffen irgendwann auch für andere Zwecke als die Verteidigung einsetzen könnte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verfolge weitergehende Ziele:
"Natürlich möchte er die Russen an dem ukrainischen Leid teilhaben lassen. Das sieht man seit Beginn des Krieges auch mal mit Attacken oder Terrorattacken in Moskau selbst, aber auch an vielen anderen Orten Russlands." Selenskyj werde weiter darauf drängen, andere Ziele zu wählen, und der ein oder andere im Westen werde nachgeben.