Archivbild: Bei einer Razzia gegen die selbsternannten "Reichsbürger" führen vermummte Polizisten Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug. (Bild: picture alliance/dpa | Boris Roessler)
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Interview - Expertin: "Reichsbürger" sind bunter gefährlicher Haufen

Am Montag beginnt in Stuttgart der Prozess gegen neun Mitglieder der selbsternannten Gruppe "Reichsbürger". Die Politologin Andrea Röpke erklärt, es gehe um ein riesiges Netzwerk, das den militanten Umsturz geplant habe. "Wir kennen da bestimmt nur die Spitze des Eisbergs."

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stehen in drei großen Prozessen Verschwörer vor Gericht. Am Montag beginnt der erste davon in Stuttgart. Es geht um die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die dem "Reichsbürger"-Milieu zugerechnet wird und der vorgeworfen wird, einen Umsturz geplant zu haben.

"Diese Prozesse sind wirklich einmalig", sagt Andrea Röpke, Politologin und Journalistin mit dem Spezialgebiet Rechtsextremismus. Insgesamt seien es 27 Beschuldigte, die sich in Stuttgart, München, Frankfurt am Main und weiteren kleineren Orten verantworten müssen. "Das heißt, es ist ein Riesennetzwerk, das tatsächlich den militanten Umsturz geplant hat."

"Reichsbürger"-Expertin: Mitglieder kennen sich mit Waffen aus, horten Gelder

 

Besonders gefährlich sei es, dass die Hauptbeschuldigten an empflindlichen Stellen beruflich tätig waren: Etwa bei der Bundeswehr, Polizei oder an anderen Stellen der Demokratie. Ursprünglich seien in der Szene der selbsternannten "Reichsbürger" Individualisten, Aussteiger oder Systemverweigerer gewesen. "Und die haben sich dann zusammengerottet. Und deswegen ist das so ein ganz bunter gefährlicher Haufen, der bis in die AfD hineinreicht."

Netzwerk der "Reichsbürger"-Szene reicht weiter: Zellen im Untergrund

 

Die Mitglieder kennen sich demnach mit Waffen aus, haben eine halbe Million Euro an Geldern gehabt. Zudem seien sie dabei gewesen, Heimatschutzkompanien aufzubauen. "Das sind noch lange nicht alle. Die Netzwerke reichen noch weiter", so Röpke. Die Politologin spricht von der Spitze des Eisbergs. Es gebe weitere Zellen, die im Untergrund wirken "und tatsächlich Geld und Waffen gehortet haben und auch mit Sabotageakten die Demokratie zu Fall bringen wollten".

Die Szene der selbsternannten "Reichsbürger" sei in Brandenburg sehr aktiv. Viele Gruppen seien von Verfassungsschutzbehörden zu sehr vernachlässigt worden, so die Expertin. Der Verfassungsschutz und die Innenministerien ordneten die Szene nicht als klar rechtsextrem ein. Röpke erwarte viel mehr Aufklärung.

Hintergrund

Prozess gegen selbsternannte "Reichsbürger" beginnt

Neun mutmaßliche Reichsbürger müssen sich ab Montag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in einem der größten Terror-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik verantworten.

Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein und einen gewaltsamen Umsturz geplant zu haben. Die Männer gelten als militärischer Arm der Gruppe um Prinz Reuß - er sollte laut Anklage nach dem Umsturz als Staatsoberhaupt eingesetzt werden.

Es ist der erste von drei Prozessen gegen insgesamt 27 Verdächtige. Die Gruppe war bei einer großangelegten Anti-Terror-Razzia Ende 2022 aufgeflogen. Sie hatte den Ermittlern zufolge Zugriff auf ein "massives Waffenarsenal".

Die selbsternannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

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