Interview - Politologe: Trump nimmt europäische Staatschefs nicht ernst
Donald Trump hat gedroht, nach seiner möglichen Wiederwahl säumige Verbündete nicht vor einer Invasion Russlands zu schützen. Politikwissenschaftler Michael Staack überraschen die Aussagen nicht. Er sagt, die europäischen Staaten hätten versäumt, sich auf eine mögliche Wiederwahl Trumps vorzubereiten.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina hat der frühere US-Präsident Donald Trump Aussagen getätigt, die in Europa für Entsetzen gesorgt haben. Der "Präsident eines großen Landes" habe ihn einmal gefragt, ob die USA das Land auch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe geantwortet: "Nein, ich würde euch nicht beschützen." Vielmehr noch: Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen".
Politikwissenschaftler Michael Staack von der Universität der Bundeswehr in Hamburg überraschen diese Aussagen nicht. "Ähnliche Äußerungen hat er bereits in seiner ersten Amtszeit getätigt und sie entsprechen auch seinem Politikverständnis." Statt diplomatischen Verpflichtungen würden für Trump Deals zählen. "Und bei den Deals geht er davon aus, dass er dann auch die Bedingungen stellt."
Staack: Zwei-Prozent-Ziel rechtlich nicht bindend
Deutschland und viele andere Staaten hätten sich in Bewegung gesetzt, um die Nato-Vereinbarung zur Finanzierung einzuhalten. Die sieht eine Zielmarke von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. So viel soll jedes Mitglied jährlich in die Verteidigung investieren.
Das sei aber rechtlich gar nicht bindend, betont Staack. Und in der gegenwärtigen angespannten Situation zu sagen, die USA würden unter Trump keinen Schutz in der Nato leisten - "das geht nicht", sagt der Professor für internationale Beziehungen. "Das spiegelt aber wider, dass Trump ganz generell die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht ernst nimmt, sondern für politische Gartenzwerge hält."
Bei einer möglichen zweiten Amtszeit müsse man auf alles gefasst sein. Die europäischen Staaten hätten sich auf dieses Szenario einer Wiederwahl Trumps allerdings nicht vorbereitet - sowohl politisch als auch in gewisser Weise militärisch. Aktuell sei man stark abhängig von den USA. Die Europäer hätten Defizite auf dem Weg zu einer eigenständigen Sicherheitspolitik.