Symbolbild: Zwei Frauen halten eine Aids-Schleife
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Interview - Berliner Aids-Hilfe sieht Beratungsbedarf bei Heterosexuellen

Trotz zuletzt wieder gestiegener Infektionszahlen, beurteilt Inge Banczyk von der Berliner Aids-Hilfe die HIV-Lage in Deutschland als stabil. Insbesondere für heterosexuelle Menschen und für Drogenabhängige brauche es aber noch mehr Beratung und Testmöglichkeiten.

Weltweit leben circa 39 Millionen Menschen mit HIV. Während die Viruserkrankung früher in den meisten Fällen tödlich verlief, können die meisten Erkrankten heute durch bessere Medikamente mit Aids alt werden. Doch die Anzahl der Menschen in Deutschland, die das HI-Virus in sich tragen, steigt wieder. Für Inge Banczyk von der Berliner Aids Hilfe ist diese Entwicklung aber nicht unbedingt besorgniserregend.

Positiv sei anzumerken, dass bei Männern, die Sex mit anderen Männern haben, die Zahl der HIV-Erkrankten sogar zurückgegangen sei, so Banczyk. Dass es trotzdem mehr Fälle in Deutschland gegeben habe, liege auch am Krieg in der Ukraine. Da es in Osteuropa eine hohe HIV-Quote gebe, sei mit der Ankunft der Geflüchteten aus der Ukraine auch die Anzahl an Menschen mit HIV in Deutschland gestiegen.

Aids-Medikamente ermöglichen ein normales Leben

 

"Es ist so, dass die osteuropäischen Mitbürger […] meistens schon von ihrer Infektion wissen und auch schon behandelt sind. Die werden nur hier in Deutschland nochmal neu gemeldet, weil sie hier dann ja auch in die Versorgung rein müssen", erklärt Banczyk. Trotz der dadurch gestiegenen Zahlen sei die Lage in Deutschland und auch in Berlin deswegen "ziemlich gut und ziemlich stabil."

Das liege einerseits an der guten Versorgungslage in der Hauptstadt mit mehreren infektiologischen Schwerpunktpraxen. Andererseits seien die Aids-Medikamente inzwischen so gut, dass viele HIV-positive Menschen niemanden mehr anstecken könnten, weil ihre Viruslast durch die Medikamente so weit abgesenkt werden könne, so die Krankenschwester. "Sie können ein ganz normales Leben führen mit Sex, mit Kinderkriegen, mit Stillen, alles das, was man früher nicht machen durfte."

Zu wenig Beratung für Heterosexuelle und Drogenabhängige

 

Wichtig sei vor allem, sich regelmäßig testen zu lassen, um eine HIV-Infektion möglichst früh zu erkennen und mit der Behandlung starten zu können, sagt Banczyk. Das funktioniere bei homosexuell aktiven Männern inzwischen sehr gut. Und auch die sogenannte Prä-Expositions-Prophylaxe, bei der man sich mithilfe von Medikamenten vor einer Ansteckung mit HIV schützen kann, sei bei ihnen weit verbreitet.

Weniger gut laufe die HIV-Vorsorge dagegen bei heterosexuell aktiven Menschen und bei Menschen, die Drogen nehmen. "In der heterosexuellen Bevölkerung muss man einfach sagen, dass die Menschen auch schlecht erreicht werden. Sie werden weniger zu Beratungen geschickt. Sie kriegen weniger ein Testangebot. Die fühlen sich auch nicht so betroffen", warnt das Vorstandsmitglied der Berliner Aids-Hilfe. Bei Drogenabhängigen sei dagegen entscheidend, mehr niedrigschwellige Angebote für eine Aids-Beratung und -Testung zu machen.