Der Sekundenzeiger auf einer Uhr im Hauptbahnhof in Dortmund.
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Interview - Ökonom: Kürzere Arbeitszeit heißt weniger Wohlstand

Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn fordert die Gewerkschaft der Lokführer unter anderem die Reduzierung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden. Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht das Konzept kritisch. Wenn die ganze Gesellschaft weniger arbeite, stehe auch weniger Geld für den Sozialstaat zur Verfügung.

Für 20 Stunden hat die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) am Donnerstag den Zugverkehr mit einem Warnstreik weitgehend lahmgelegt. Im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn gibt es bisher keine Bewegung bei der Hauptforderung der GDL: eine Reduzierung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden.

Auch der Wirtschaftswissenschaftler Holger Schäfer sieht die Idee einer Vier-Tage-Woche kritisch. "Wenn wir alle weniger arbeiten [...], dann heißt das eben auch, dass wir weniger produzieren", sagt der Experte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). "Das heißt im Grunde genommen, dass wir auch weniger Wohlstand haben." Wenn weniger gearbeitet werde, sei auch weniger Geld für soziale Zwecke in der Staatskasse.

IW-Experte: "Ohne menschliche Arbeit geht es nicht"

 

Ergebnisse von Experimenten mit der Vier-Tage-Woche in ausgewählten Unternehmen seien nicht auf alle Wirtschaftszweige übertragbar, so Schäfer. Man habe auch nicht nachweisen können, dass bei geringerer Arbeitszeit die Produktivität gleich bleibe.

"Ohne menschliche Arbeit geht es nicht", betont der Wirtschaftswissenschaftler. Gesellschaft und Wirtschaft gehörten zusammen. Damit die Gesellschaft Gelder umverteilen könne, müssten die Bürgerinnen und Bürger arbeiten.

Arbeitskräfte werden knapper

 

Schäfer hält unter Umständen sogar eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit für sinnvoll. Durch den demographischen Wandel würden Arbeitskräfte zunehmend knapper. "In den nächsten zehn Jahren erreichen ungefähr zwölf Millionen Menschen das Rentenalter und es rücken nur ungefähr sieben bis acht Millionen Menschen nach", so der Ökonom. Diese Lücke könne man mit höherer Zuwanderung, mehr Beschäftigung oder längeren Arbeitszeiten füllen.