Interview - Historiker Holzhauser: "Totenglocken für die Linke werden früh geläutet"
Die Linksfraktion im Bundestag hat am Dienstag ihre Auflösung beschlossen. Hintergrund ist der Bruch mit Sahra Wagenknecht, die im kommenden Jahr ihre eigene Partei gründen will. Der Historiker Thorsten Holzhauser glaubt trotzdem noch nicht an das endgültige Aus für die Linkspartei.
Am Dienstagnachmittag hat die Linkspartei einen Schlussstrich unter den Richtungsstreit mit Sahra Wagenknecht und ihren Anhängern gezogen. Nach der Abspaltung von Wagenknecht und ihren Anhängern, die im kommenden Jahr eine eigene Partei gründen wollen, wird sich die Bundestagsfraktion der Linkspartei zum 6. Dezember 2023 auflösen.
Existenzkrisen gehören zur Geschichte der Linken
Thorsten Holzhäuser glaubt trotzdem noch nicht an das endgültige Aus für die Linkspartei. Der Historiker hat seine Doktorarbeit über die Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik geschrieben. Er sagt: "Mir scheint es so, dass die Totenglocken für die Linke etwas früh geläutet werden."
Schon Anfang der 1990er oder auch 2002 habe sich die Linke und ihre Vorgängerin die PDS in existenziellen Krisen befunden. Noch sei offen, ob es die Linke auch noch ein drittes Mal schaffen kann, sich wiederzubeleben, glaubt Holzhauser.
Links-konservativ oder sozial-ökologisch?
Als Grund für die aktuelle Spaltung der Linken, sieht der Historiker die inhaltlichen Gegensätze etwa in der Migrationspolitik und auch in umweltpolitischen Fragen. Tatsächlich habe es die Linkspartei früher besser geschafft, ein links-konservatives Milieu anzusprechen, also Wählerinnen und Wähler, die sozialpolitisch links stehen, kulturell aber eher konservativ seien.
Sahra Wagenknecht werde mit ihrer neuen Partei genau um diese links-konservativen Wählerinnen und Wähler werben, prognostiziert Holzhauser. "Während die Restlinke jetzt sehr stark versuchen wird, […] das sozialökologische Profil der letzten Jahre in den Vordergrund zu rücken."