Interview - Militärexperte Wyss: Ukrainische Gegenoffensive ist gescheitert
Laut dem ukrainischen Innenministerium läuft gerade die größte russische Angriffswelle seit Beginn des Jahres. Militärexperte Michel Wyss sagt, zurzeit sei die Front relativ statisch. Die ukrainische Offensive sei sehr stark ins Stocken geraten. Russland werde jetzt punktuell versuchen, die Initiative wieder an sich zu reißen.
Seit Wochen beherrscht der Krieg im Nahen Osten die Schlagzeilen. Gleichzeitig scheint das Interesse daran, was in der Ukraine passiert, nachzulassen. Dabei gibt es Meldungen aus Kiew, dass gerade die größte Angriffswelle auf das Land seit Beginn des Jahres laufe. Michel Wyss, Experte für Kriegsführung an der Militärakademie der ETH Zürich, sagt, zurzeit gebe es vor allem Bemühungen Russlands, die Stadt Awdijiwka bei Donezk anzugreifen und einzunehmen.
"Wenn es jetzt den Russen gelingen würde, diese Stadt zu erobern, dann würde das schon einen gewissen Keil in die Verteidigungslinie der Ukraine schlagen." Wyss geht allerdings davon aus, dass es - anders als Russland behauptet - noch einige Zeit dauern werde, bis die Stadt falle - "wenn überhaupt".
Wyss: Verstärkte russische Angriffe auf die Infrastruktur wahrscheinlich
Insgesamt finde zurzeit ein regelrechter Stellungskrieg zwischen ukrainischer und russischer Seite statt. "Grundsätzlich ist die Front über weite Strecken relativ statisch", sagt der Experte von der ETH Zürich. Die Gegenoffensive der Ukraine sei mittlerweile sehr stark ins Stocken geraten. "Ich denke, mittlerweile muss man schon einsehen, dass sie gescheitert ist."
Aus Perspektive des Westens und der Ukraine sei es aber einen Versuch wert gewesen. Wyss geht davon, dass jetzt auch Russland wieder versuchen werde, "punktuell eben die Initiative an sich zu reißen und eigene kleinere Offensiven zu starten". Ebenso seien im Winter verstärkte Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine wahrscheinlich.
