Interview - Forscher: Verbot der "Artgemeinschaft" war "absolut überfällig"
Das Bundesinnenministerium hat mit der "Artgemeinschaft" wieder eine rechtsextreme Gruppierung verboten. Rechtsextremismusforscher Christoph Schulze erklärt, was es mit der Gruppierung auf sich hat. Er bezeichnet sie als hart antisemitisch und betont: "Das sind nicht nur Spinner."
"Die 'Artgemeinschaft' war eine der radikalsten neonazistischen, rassistischen und antisemitischen Organisationen in Deutschland", sagt Christoph Schulze vom Moses-Mendelsohn-Zentrum an der Universität Potsdam. Sein Schwerpunkt ist Rechtsextremismusforschung. Seit Anfang der 1950er Jahre sei die Gruppierung aktiv gewesen, "insofern, das Verbot von heute, das war absolut überfällig."
Rechtsextremismusforscher: "Artgemeinschaft" ist "hart antisemitisch"
Die Gruppe habe pseudoreligiöse Züge: "Da wurde gesagt, das Christentum sei ein jüdisches Instrument zur Unterdrückung der weißen Völker. [...] Das eigene Blut, die weiße Rasse sollte in den Gottstatus erhoben werden." Der Experte bezeichnet die Gesinnung als "hart antisemitisch". Die Mitglieder seien aber nicht nur Spinner, betont Schulze. Der Kern der Neonaziszene konnte sich demnach in der Organisation vernetzen.
So trafen sich dort etwa der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder Beate Zschäpe vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) "und auch weitere Rechtsterroristen". Das jetzige Verbot der Gruppe bedeute, dass es keine Nachfolgeorganisationen geben dürfe und auch ihre Symbole nicht mehr gezeigt werden dürfen. "Was Verbote bringen, das ist immer eine Frage, wie sie durchgesetzt werden."
Experte: Rechte Gruppierungen und Organisationen sind untereinander vernetzt
Die gefährlichste politische Gruppierung von Rechts ist laut dem Experten die Partei Alternative für Deutschland. Zudem gebe es die NPD unter einem neuen Namen und auch Kleinstparteien wie den Dritten Weg. Außerdem gebe es noch antisemitisch-pseudoreligiöse Gesinnungsgruppen oder Projekte, die zum Feld der selbsternannten Reichbürger zählen und einen neuen deutschen Staat aufbauen wollen.
Die Organisationen seien untereinander vernetzt. Schulze erklärt, dass nach dem Verbot der "Artgemeinschaft" am Mittwoch gleich drei weitere Neonazigruppen ihre Auflösung erklärt hätten: "Die haben schlichtweg Angst bekommen, wollten einem Verbot vorbeugen, weil sie natürlich wissen, sie machen etwas Ähnliches wie die 'Artgemeinschaft'", so Schulze.