Interview - "One Health": Klimawandel gefährdet die Gesundheit zunehmend
Der Klimawandel hat immer mehr und immer drastischere Auswirkungen auf die globale Gesundheit, sagt Axel Pries, Präsident des Weltgesundheitsgipfels. Er stellt fest: "Niemand wird es uns abnehmen, aus unserer Komfortzone zu kommen."
Spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir: Auch die Gesundheit ist ein weltumspannendes Thema. Das beginnt bei der Frage, wie und wo Krankheitserreger entstehen und sich weiterverbreiten. Es geht um Menschen und Tiere, um die Auswirkungen des Klimawandels, aber auch unsere Verhaltensweisen, ob daheim oder bei der Arbeit.
Der Fachbegriff für diesen ganzheitlichen Blick auf die Gesundheit ist “One Health”. Auf seiner Jahrestagung befasst sich der Deutsche Ethikrat damit. Axel Pries, Präsident des Weltgesundheitsgipfels und früherer Dekan der Berliner Charité, sagt, es sei nicht nur eine ethische, sondern eine Überlebensfrage:
Klimawandel bringt uns gesundheitlich "an eine ganz kritische Grenze"
"Der Ethikrat beschäftigt sich damit, weil es unser aller gemeinsame Aufgabe ist, eine lebenswerte Welt unseren Kindern und Kindeskindern zu überlassen. Und da kommen wir im Rahmen des Klimawandels und der dadurch ausgelösten Gefahren in der Gesundheit wirklich an eine ganz kritische Grenze."
Pries sieht da insbesondere die weltweit zunehmende Hitze und Trockenheit. Die belebte Natur – Menschen, Tiere und Pflanzen – reagierten auf die Veränderungen. Das führe zu Wanderbewegungen, die Folgen für die Gesundheit hätten. So würden beispielsweise Insekten und Zecken aus dem Süden nach Mitteleuropa kommen.
"Die Natur kümmert sich nicht um unsere Stimmungslagen"
Dass die Menschen ihre Verhaltensweisen wieder an die Zeit vor Corona angepasst hätten – beispielsweise beim Reisen -, sei aus menschlicher Sicht absolut nachvollziehbar, sagt der Wissenschaftler, jedoch: "Die Natur kümmert sich überhaupt nicht um unsere Stimmungslagen. Wir dürfen jetzt nicht denken, die Krise sei vorbei. Wir stehen da auf einer sehr abschüssigen Ebene – und die Corona-Krise war ein Zeichen dafür, dass wir abrutschen."
Niemand werde es uns abnehmen, aus unserer Komfortzone zu kommen und viele Dinge im Alltag zu überdenken. Gerade Deutschland als reiches und leistungsfähiges Land habe da eine besondere Verantwortung: "Die nationale Nabelschau […] wird uns alle zusammen nicht am Leben erhalten. Wir sitzen in einem Boot. […] Und wir werden nicht gemeinsam überleben, wenn die einen in dem Boot nichts zu essen haben und die anderen Überfluss haben."