Ukrainische Flüchtlinge gehen nach ihrer Registrierung auf einem Weg entlang.
dpa
Bild: dpa Download (mp3, 7 MB)

Interview - Migrationsforscherin: Illegale Pushbacks sind Teil der europäischen Asylpolitik

Weltweit sind gerade mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht - so viele wie noch nie. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger kritisiert die europäische Asylpolitik und sieht die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union in Gefahr.

Judith Kohlenberger arbeitet als Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Migrationsforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie hat unter anderem das Buch "Fluchtparadox" verfasst. Dass mehr Menschen auf der Flucht sind und Hilfe brauchen, die Europäische Union aber jüngst eine striktere Asylpolitik beschlossen hat, hat aus ihrer Sicht mehrere Gründe.

Striktere Asylpolitik aus Angst vor schlechten Wahlergebnissen?

 

Ein Grund sei, dass mehr Menschen als zuvor nach Europa kommen und die EU-Länder noch keinen tauglichen Lösungsansatz gefunden hätten. "Und weil die EU, wahrscheinlich auch mit Blick auf die nächsten Wahlen, die anstehen, befürchtet, dass das Thema weiter zu einer Destabilisierung der Union führt."

Weiter sagt Kohlenberger: "Wir sprechen zwar immer davon, dass beispielsweise Österreich von Asylzahlen belastet wäre. Tatsächlich ist es aber so, dass in Ländern wie Libanon oder Jordanien mittlerweile jeder vierte bis jeder sechste dort lebende Mensch ein syrischer Flüchtling ist." Von solchen Dimensionen sei man in Europa noch weit entfernt.

Kohlenberger kritisiert Menschenrechtsverletzungen in Europa

 

Selbst im sogenannten Rekordjahr 2015 sei es so gewesen, dass weniger als fünf Prozent aller weltweit Geflüchteten in der EU untergebracht wurden. "Ja, Europa leistet einen Beitrag, aber bei Weitem nicht den größten", sagt Kohlenberger. Der Hauptgrund für Flucht seien weiterhin Menschenrechtsverletzungen.

"Und genau gegen diese Fluchtgründe unternimmt Europa gar nichts. Im Gegenteil: Es kommt hier auch auf europäischem Territorium zu massiven Menschenrechtsverletzungen, die zunehmend überhaupt nicht mehr geahndet werden." Illegale Pushbacks seien mittlerweile integraler Bestandteil der europäischen Asylpolitik, sagt die Migrationsforscherin.