Interview - Politologe: Erdoğan wird autokratischen Stil fortführen
Der alte ist der neue türkische Präsident: Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan hat die Stichwahl gewonnen. Weder das verheerende Erdbeben noch die Wirtschaftslage im Land seien für Erdoğans Sieg ausschlaggebend gewesen, sondern die Identitätspolitik, sagt Politologe Ekrem Eddy Güzeldere.
Beim Thema Identitätspolitik spiele die Person Erdoğan eine wichtige Rolle in der Türkei - "eine Person, die den politischen Islam, den sunnitischen Islam repräsentiert", erklärt Politikwissenschaftler Ekrem Eddy Güzeldere, der unter anderem für die europäische Denkfabrik Eliamep tätig ist. Erdoğan spreche viele Menschen in der konservativen Mehrheit in der Türkei besser an als Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu, der aus einer Minderheitenkonfession stamme.
Der Nationalismus habe im Wahlkampf eine große Rolle gespielt, sagt Güzeldere. Mehrere kleine Parteien hätten sich auf das Thema Migration und Geflüchtete aus Syrien konzentriert und damit die gesamte Debatte nach rechts gerückt. "Und in der Allianz, die Erdoğan geschmiedet hat vor den Wahlen, sind diese nationalistischen Parteien vertreten gewesen. Dadurch hat der ganze Wahlkampf einen nationalistischen und religiösen Touch bekommen."
Türkei wird Nato-Beitritt von Schweden wohl zustimmen
Er erwarte nicht, dass Erdoğan seinen islamisch-konservativen Kurs nun lockere, meint der Politikwissenschaftler. "Denn in dieser Koalition sind sehr rechtsextreme, nationalistische, religiöse, islamistische Parteien vertreten. Und dadurch werden die Innen- und Sozialpolitik eher noch konservativer und religiös geprägter sein." Erdoğan werde seinen autokratischen Stil wohl fortführen und "vielleicht noch eine Schippe drauflegen".
Außenpolitisch gehe er davon aus, dass die Türkei ihre Ablehnung des Nato-Beitritts von Schweden aufgibt. "Die Wahlen sind vorbei und es gibt keinen besonderen Grund mehr, das als Wahlkampfmaterial zu nutzen", so Güzeldere. Aber Erdoğan werde im Gegenzug sicherlich etwas von der Nato und insbesondere von den USA dafür verlangen, etwa Kampfjets.