Interview - Politologe: Erdoğan wirbt in Deutschland - Opposition nicht
Wie die 3,4 Millionen türkischen Wähler in Deutschland abgestimmt haben, ist noch offen. Aber klar ist: Präsident Erdoğan bekommt hier meist viel Unterstützung. Das liege unter anderem an seiner offensiven Werbung in Deutschland, sagt Politikwissenschaftler Özgür Özvatan. Die Opposition werbe dagegen gar nicht für sich.
Erdoğan inszeniere sich im Ausland - insbesondere in Deutschland - als "Beschützer vor Assimilationsdruck2, erklärt der Berliner Politologe und Soziologe Özgür Özvatan. Deswegen sei er bei vielen türkischstämmigen Menschen in Deutschland beliebt und daher würden sie Erdoğans "mindestens nationalkonservatives, wenn nicht rechtsradikales Angebot" unterstützen.
Das müsse aber nichts mit ihrer Position zur deutschen Politik zu tun haben, erklärt Özvatan. Die Menschen fühlten sich beiden Ländern verbunden. Das würden auch ganz aktuelle Studien des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt-Universität zeigen. "Hier können sie natürlich ganz andere Wahlentscheidungen treffen", so der Politologe.
Özvatan: "Karten werden neu gemischt"
Und man dürfe auch nicht vergessen, dass in Deutschland sehr viele Menschen leben, die sich nicht für Erdoğan entscheiden, betont Özvatan. Wie eine mögliche Stichwahl am 28. Mai ausgehen könnte, sei derzeit völlig offen. "Die Karten werden neu gemischt", sagt der Integrationsforscher.
Es habe sich gezeigt, dass die Opposition - und vor allem Kemal Kılıçdaroğlu - keine Werbung in Deutschland macht, erklärt Özvatan. "Wenn die Opposition hier viele Stimmen bekommen möchte, wäre es gut, wenn sie für die nächsten zwei Wochen aktiv ein Angebot für die Menschen im Ausland entwickelt."