Wie die Berliner Philharmoniker ihren neuen Chef bestimmen - Die geheimnisvolle Wahl eines Weltstars

Die Berliner Philharmoniker wählen ihren Dirigenten traditionell selber. Das tun sie in einem geheimen, demokratischen Prozess, von dem nicht einmal bekannt ist, wo er stattfinden wird. Nach welchen Regeln diese Wahl abläuft und wie es letzten Endes zu einem Ergebnis kommt, erfahren Sie hier.

Es ist ein geheimnisumwölkter Prozess, in dem die Berliner Philharmoniker am Montag, den 11. Mai ihren neuen Chef auswählen werden. Sir Simon Rattle hatte seinen Rückzug als künstlerischer Leiter des Orchesters mit dem Auslaufen seines Vertrags Mitte 2018 angekündigt, nun ist es an der Zeit, seinen Nachfolger zu bestimmen.

Öffentlich ist weder bekannt, wo die konspirative Sitzung der Wählenden stattfinden wird, wieviele Musiker zu diesem Zeitpunkt wahlberechtigt sein werden und wieviele Stimmen der Gewinner auf sich vereinigen muss. Doch einige Dinge sind bekannt.

Jeder lebende Dirigent der Welt

Die Stimmberechtigten sollen sich um 10 Uhr morgens zusammenfinden. Berechtigt sind alle 124 aktiven Orchestermitglieder.

Es soll wohl gemeinsam über die möglichen Kandidaten diskutiert werden. Dabei kann, darauf legen die Orchestermitglieder Wert, jeder lebende Dirigent der Welt vorgeschlagen werden. Es existiert jedoch darüber hinaus eine interne Liste mit rund 30 Dirigenten, die regelmäßig als Gastdirigenten eingeladen werden. Es  spricht einiges dafür, dass die Musiker ihren neuen Chef aus dieser Gruppe der ihnen wohl bekannten Dirigenten ihren neuen Chef wählen werden.

Sitzung "open end" - bis ein Name feststeht

Der Chef der Philharmoniker muss jedoch nicht nur den Job des Dirigenten übernehmen. Offiziell heißt die Position "Künstlerischer Leiter" und beinhaltet auch die Konzertorganisation für Gastdirigenten und die Verantwortung für das ganze Konzerthaus.

Wie genau die Wahl abläuft, darüber schweigen die Philharmoniker, doch es sind wohl unterschiedliche Wahlvorgänge vorgesehen, gewählt wird mit Stimmzettel und Urne gewählt. Eine Liste von möglichen Kandidaten wird nach dem ersten Wahlgang erstellt, die dann als Grundlage mindestens einer weiteren Wahl sein wird.

Hat ein Dirigent eine "deutliche Mehrheit" (konkretisiert wird dieses Quorum nicht), wird er sofort angerufen und nach seiner Zustimmung gefragt. Sagt der Auserwählte zu, beginnen nach der Wahl die Vertragsverhandlungen. Sollte der Erwählte ablehnen, würde beraten wie es weitergeht. Wie bei der Papstwahl bleibt man dann so lange zusammen, bis ein Name feststeht – open end. Vorab jedoch werden keine Kandidaten nach ihrem Interesse befragt, damit haben die Philharmoniker schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht.

Ein weltweit einmaliges Privileg

Die Macht der Musiker, selbst über den neuen Dirigenten und künstlerischen Leiter zu entscheiden, ist ein weltweit einmaliges Privileg. Weder der Intendant noch der amtierende Chef, noch der Berliner Senat als Arbeitgeber darf mitentscheiden oder am Ende ein Veto einlegen.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1882 sind die Berliner Philharmoniker demokratisch organisiert. Damals lehnten sich 54 Mitglieder gegen ihren autoritären Kapellmeister auf und gründeten ihr eigenes Ensemble mit basisdemokratischen Strukturen. Seitdem wird über alle zukunftsrelevanten Fragen in der Vollversammlung entschieden. Die regelmäßige Orchesterversammlung gehört zu den Dienstpflichten der Musiker. Den Vorsitz haben zwei gewählte Orchestervorstände, zur Zeit sind das der Kontrabassist Peter Riegelbauer und der Bratscher Ulrich Knörzer, und ein Fünferrat. Steht die Wahl eines neuen Chefdirigenten an, wird auch sie nach streng demokratischen Regeln vollzogen.