25 Millionen Gartenzwerge stehen heute allein in deutschen Gärten. Die lange als Inbegriff deutscher Spießigkeit verspottete Figur aus Marmor, Sandstein, gebranntem Ton - und zunehmend auch aus Kunststoff - gehört immer noch und wiederentdeckt zur Grundausstattung der Gartenfreunde. Denn längst ist die ablehnende Haltung der 68er gegenüber den putzigen poppigen Typen mit weißem Bart und roter Zipfelmütze, mit Lederschürze und Schaufel, Spitzhacke, Laterne oder Schubkarre, verflogen. Susan Sontag und Jeff Koons haben ihnen philosophisch und künstlerisch Absolution erteilt und sogar der türkisch stämmige Autor Feridun Zaimoglu, Erfinder der "Kanaksprak" und gewiss nicht im Verdacht, ein Deutschtümelnder zu sein, besitzt hunderte der bunt lasierten Figuren. Einige hat er sogar auf dem Schreibtisch platziert.
Zwar werden seit Ende der 90er Jahre verstärkt Übergriffe der "Front zur Befreiung der Gartenzwerge" vermeldet, deren Anhänger die Zwerge aus den Vorgärten "befreien" und sie in ihrem "natürlichen Lebensraum", in den Wäldern, aussetzen. Aber auch das ist nur eine andere Form des ungebrochenen Interesses an den um 1800 entstandenen, ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode gekommenen Figuren. Sie wurden Gärtnern und mittelalterlichen Bergleuten nachempfunden, bzw. den Hofzwergen, die sich an den Fürstenhöfen großer Beliebtheit erfreuten. Deshalb sind die ältesten, heute noch auffindbaren Gartenzwerge auch in den Gärten barocker Schlossanlagen zu finden. Von ihren höfischen Ursprüngen aus verbreiteten sie sich in England, Deutschland, Österreich und der Schweiz in die bürgerlichen Vorgärten.
Der Exportabsatz der häufig und gerne in Deutschland gefertigten Produkte soll während des I. und des II. Weltkrieges zurückgegangen sein. Da wollte sich keiner den Kriegsgegner in Gestalt des deutschen Michel in den Garten stellen. Aber auch im Nationalsozialismus waren Gartenzwerge nicht überall geschätzt. Ein Gauleiter verhängte wegen störender Eingriffe ins Landschaftsbild ein Verbot gegen sie. In der Wirtschaftswunderzeit florierte dann auch der Zwergenfertigungszweig wieder, analog zum neu hinzugekommenen Stückchen Land im Grünen oder dem frisch erworbenen Eigenheim, dessen Schwelle gehütet werden wollte.
Eine regelrechte Wiedergeburt erlebte der Gartenhüter im wiedervereinigten Deutschland, denn jetzt wurde es Mode, neue provokative Modelle in Umlauf zu bringen. Auf einmal kamen Zwerge mit Messer im Rücken, solche, die den Stinkefinger zeigen und Exhibitionisten unter die Leute. Ganze Nachbarschaftskriege übern Gartenzaun konnten mit diesen neuzeitlichen Armeen ausgetragen werden. Zugleich wurden wie beim Karneval Gartenzwerge als Politiker-Ebenbild modelliert: erst Kohl, dann Schröder, später Merkel, kamen so in Umlauf. Immer wieder greift die Zwergenindustrie in Deutschland aktuelle Themen aus Politik und Zeitgeschehen zur Aufrüstung der Figuren auf. Ganz anders hält es Zwergendesigner Andreas Klein. Er gestaltet jedes Jahr eine Reihe moderner Gartenzwerge. Seine Firma "100 Prozent Zwergenpower" fertigt auf Bestellung individuell gestaltete Wunschgartenzwerge - und bei ihm gibt es sie endlich auch wieder: Die Gartenzwergin, schon im Barock als Gefährtin den Hütern der Heime und Gärten beigesellt.