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Die Berlinale ist neben Cannes und Venedig das wichtigste Filmfestival der Welt: Einige Zahlen gefällig? 441 Filme an zehn Tagen in über 50 Kinos und außerdem noch 700 Filme die auf dem Filmmarkt gehandelt werden. Dazu tausende Journalisten, die Stars und Filmemacher. Das Zentrum der Berlinale ist der Potsdamer Platz. Dort hat Anke Burmeister einige der 1.400 Menschen getroffen, die dafür sorgen, dass die Berlinale perfekt läuft.
Das Hirn der Berlinale liegt im dritten Stock eines nüchternen Bürogebäudes am Potsdamer Platz. Hier ist das Film Office: Vor einem Regal voller DVDs an einem gut gefüllten Schreibtisch sitzt der Chef Ove Sander. Der rote Teppich vom Berlinale-Palast ist nur wenige Schritte entfernt doch von Glamour keine Spur in den weißen Räumen: Club-Mate anstatt Champagner, in der offenen Küche steht ein frischgebackener Kuchen.
Ove Sander ist fast Ende 30, Technikfan, hat Kunst und Kamera studiert, trägt ein graues Kapuzenshirt, Jeans, die Haare sind zerzaust. Mit lässiger Selbstverständlichkeit zieht er eine Chipkarte und öffnet die helle Metalltür zum Filmlager, wo es schon relativ voll ist, aber ungefähr noch einmal so viel Filme rein müssen. Am Ende werden es 1.100 Filme sein.
Hirn und Herz der Berlinale
Auf schlichten Metallregalen stehen jetzt schon dicht gedrängt kleine Plastikkoffer darin die Festplatten, auf denen die Filme ruhen. Die Filme die hier stehen haben es ins Festival oder auf den Filmmarkt geschafft. Doch vorher werden sie digitalisiert: Auf der Belrinale werden seit dem letzten Jahr keine Filmrollen mehr hin und hergetragen.
Bis auf sehr wenige Ausnahmen werden alle Berlinale-Filme im DCP-Format gezeigt: Das heißt Digital Cinema Package. Die Filme, in welcher Form auch immer sie nach Berlin kommen, werden hier im Filmoffice eingespielt, wandern dann unter dem Berliner Asphalt durch gelbe Glasfaserkabel nach Moabit und wieder zurück:
"Wir sind das Hirn der Berlinale und das Herz ist im Rechenzentrum, weil von dort die Leitungen in die Kinos gehen. Dort sind drei, vier Schränke mit Technik der Berlinale und ihren Partnern, die vom Potsdamer Paltz aus fernbedient werden," sagt Ove Sander.
Filmchecker heißt der Job
In den Schränken dort: 400 Terrabyte Speicherkapazität - das wäre der Eröffnungsfilm über eine Millionen Mal. Dreißig Leute kümmern sich im Filmoffice Tag und Nacht über die Übertragung und Ver- und Entschlüsselung der Filme, sie sitzen aber nicht nur am Computer - Ove Sander:
"Wir haben eine eigene Software, die schon automatisch die ganzen Daten analysiert und ein bisschen zeigt, was auf dem Film am Ende drauf ist. Nach dieser ersten Prüfung werden noch weitere Prüfungen in Kinos gemacht: alle Filme werden da angespielt, um zu gewährleisten, dass die dann später auf den jeweiligen Server-Systemen auch problemlos funktionieren."
Filmchecker heißt der Job: Es gibt zehn Filmchecker auf der Berlinale, die im Prinzip alle Filme gesehen haben, mehr oder weniger intensiv aber es reicht für einen ersten Eindruck:
An der Wand ihres Büros hängt ein handgeschriebener Zettel: Films to watch hat jemand darauf geschrieben und darunter entsteht eine Liste ihrer 10 besten Filme der Berlinale. Doch was auf dieser Liste bleibt Sache der Filmchecker, mehr zu sehen und vor allem zu hören gibt es im Berlinale-Palast.
Ein Mann dirigiert hunderte Gewerke
Stundenlang, tagelang vor der Berlinale hat Michael Greulich diesen Ton gehört: Das Einrauschen der Tonanlage. Denn im Berlinale-Palast wurde ein neues Soundsystem eingemessen, fast einhundert Lautsprecher mussten dafür in dem großen Saal montiert werden, hinter der Leinwand, an den Seiten oder unter den Rängen:
"Das neuen System im Saal ist eine Premiere für uns. Die Techniker sagen, dass es dann völlig egal sei, wo man sitzt, weil die Lautsprecher so konzipiert sind, dass sie den Dolby-Atmo-Sound abbilden können - an jedem Platz."
Michael Greulich ist der technische Leiter der Berlinale. Und somit eigentlich für alles verantwortlich: für die Technik in den Kinos, den faltenfreien roten Teppich, den Schneedienst in Bereitschaft, dafür, dass die Publkiumslounge vor dem Berlinale-Palast aufgebaut wird, dafür, dass genug Platz für die Limousinen ist oder auch für die grünen Lichter an den Notausgängen. Trotzdem verliert Michael Greulich nicht viele Worte sondern dirigiert ruhig, freundlich hunderte Gewerke und wirkt dabei tatsächlich noch gelassen.
Akustik und Filmstandards in Bühnenhäusern
Auf die großen Bühne des Berlinale-Palastes wurde eine riesige Leinwand geschoben: 18 Meter hoch, acht Meter breit. Dahinter verstecken sich die Kulissen für die Eröffnungs-Show. An den Seiten stehen noch Requisiten des Musicals "Hinterm Horizont", in der Luft baumeln die Musical-Kostüme.
Auf einem großen grünen Container steht einfach "Berlinale Zubehör Leinwand" und daneben Reiner Chemnitius, Dr. Reiner Chemnitius, wie er liebe- und respektvoll genannt wird. Der Ingenieur in gemütlicher Cordhose kontrolliert in allen Kinosäle die während der Berlinale bespielt werden müssen, den Sound und die Filmtechnik, denn auch dafür gibt es vorgegebenen Standards und immer wieder Regisseure, die sich in der Nacht vor der Weltpremiere ihres Filmes selber überzeugen wollen, ob alles auch so stimmt: Die besondere Herausforderung sind dabei die Säle, die eigentlich keine Kinos sind:
"Theater sind anders optimiert für die Shows und Präsentationen, die sie machen: Sie haben eine andere Saal-Akustik. Im Theater am Potsdamer Platz gibt es aber die Besonderheit, dass da die Kinotechnik beim Bau des Theaters berücksichtigt wurde. Im Friedrichstadtpalast wurde das Problem gelöst mit einer sehr großen Bildwand. Im Haus der Berliner Festspiele wird die Raumakustik komplett verändert - da sind die ganzen Wände mit Vorhängen zugehängt, um die für Kino benötigte Akustik zu bekommen - das ist schon eine Herausforderung."
Und zwischen den nüchternen Betrachtungen von Akustik- und Filmstandards, bleibt auch mal ein Moment zum Nachdenken, Kino ist eben mehr als ein Job. Und die Lieblingskinos während der Berlinale?
Das sind der Zoo-Palast, das International - die großen Traditions-Kinosäle.
Und dann verschwinden sie wieder in ihre Welt hinter der Leinwand.