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Der etwas andere Blick auf die Berlinale eröffnet sich durch die Kameralinsen von dreizehn Nachwuchsfotografen. Sie nehmen am Workshop "Close-Up" teil, einer Kooperation zwischen der Berlinale und der Fotogalerie c/o Berlin. Anna Pataczek hat sich einen Nachmittag an die Fersen der jungen Leute geheftet.
Auf dem Weg zum Roten Teppich ergibt sich unverhofft ein Foto-Motiv: Ein Fernsehteam wirbt mit einem selbstgemalten Pappschild um Passanten für ein Casting zu einem Blockbuster. Joseph Wolfgang Ohlert bleibt stehen, nimmt die Kamera in die Hand und drückt ab. Wie auch die meisten anderen Fotografen vom Projekt Close Up, interessiert er sich weniger für die Hollywood-Stars als für:
"Kleine Sachen: Nebenan hebt einer was auf oder einer trinkt was, oder vielleicht auch ein paar unglamouröse Sachen, wo hunderte Journalisten im Presseraum dann auf dem Boden liegen und ihre Bilder bearbeiten. Das sind für mich die interessanteren Bilder als die offiziellen Pressefotos."
Aber der rote Teppich gehört eben auch zur Berlinale dazu und zu den Aufgaben der Nachwuchsfotografen. Also rauf auf das Podest, wo sich schon die anderen Workshop-Teilnehmer positioniert haben. Hier oben haben sie einen guten Blick auf die Schauspieler, die gleich aus der Limousine steigen. Glück haben sie auch, nur wenige weitere Fotografen sind da. Das ist oft anders. Da müssen sie die Ellenbogen ausfahren.
"Krasser Konkurrenz- und Platzkampf da, um sein Bild zu machen!" findet Clara Nebeling. Jetzt hält sie ein Stück durchlöcherte Alufolie vor die Linse, dreht und wendet es und verkleinert so den Bildausschnitt. Schimmert da noch genügend Berlinale durch? Das entscheidet die 20-jährige Foto-Studentin am Abend, wenn sie noch einmal ihre Ausbeute sichtet.
Zehn Bilder müssen alle Close-Up Fotografen pro Tag abgeben, einige davon werden veröffentlicht, auch auf der Internetseite von Inforadio. Im Laufe des Festivals sollen alle jungen Fotografen einen eigenen Ansatz entwickeln.
So hat sich Clara Nebeling zum Beispiel vorgenommen, lauter Orte der Berlinale zu porträtieren, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Ein Motiv hat sie schon im Kopf: "Einfach ein leeres Hotelzimmer und eine Person, die am besten das Ganze vorbereiten für den nächsten Gast, um einfach auch die Arbeit hinter den Kulissen zu zeigen. Mal sehen, ob es klappt."
Es geht ums Ausprobieren in diesem Workshop, aber mit dem nötigen Ernst. Am selben Nachmittag in der Redaktion von Zeit Online. Die Nachwuchsfotografen aus Deutschland, der Türkei, Ungarn und Italien, alle zwischen 19 und 25 Jahren alt, haben sich mit den Bildredakteuren um einen Tisch versammelt. Sie staunen, als sie erfahren, dass sie als Profis höchstens drei bis fünf Minuten Zeit haben, bis die ersten Bilder bei den Agenturen erwartet werden. Auch Kritik müssen sie sich gefallen lassen: "I got a photo of Juliette Binoche, who was a main, main star of the evening and it was just written: 'An actress'. That is really a big fail!"
Die Datei mit einem Foto von Juliette Binoche hatte einer der Workshop-Teilnehmer nur mit "Schauspielerin" bezeichnet - im schnellen Alltag von Nachrichtenredaktion stiftet so etwas Durcheinander. Auch das ist ein Ziel von Close Up: Die Fotografen sollen professionelles Zusammenarbeiten mit potentiellen Abnehmern lernen. Das hat dann wenig mit Kunst zu tun. Dafür mit Zuverlässigkeit und Disziplin.
Kunst wird es dann wieder ab Sonntag. Ab da zeigt c/o Berlin ein paar Tage lang eine Auswahl der Bilder in seinen Räumen im Amerika-Haus und kürt auch einen Gewinner des Workshops "Close Up".