Do, 12,.02.2015 - Berlinale Wettbewerb: "Elser"
Schon wieder ein Nazifilm? Fast zehn Jahre nach "Der Untergang"? Nein, Oliver Hirschbiegels Biopic über den noch immer viel zu wenig bekannten Hitlerattentäter Georg Elser ist eine späte Rehabilitation. Und einen Hitler sehen wir diesmal nur wie eine Puppe aus der Ferne.
In "Elser" verfolgend wir den Weg eines lebenslustigen, aber auch in sich gekehrten Handwerkers von der Schwäbischen Alb, der gegen das Unrecht aufbegehrt, ziemlich klar sieht, dass es den kleinen Leuten ím Dritten Reich nicht besser geht und der schließlich die Führung des Staates ausschalten will, um Krieg zu verhindern.
In Berlin und anderswo finden sich zwar Denkmäler, die mühsam rekonstruierten Fakten liegen inzwischen in wissenschaftlichen Publikationen vor.
Doch noch immer überwuchern Nachkriegsrechtfertigungen und Fehldeutungen die Tat eines einzelnen Mannes, der letztlich zwei Lebenslügen der deutschen Gesellschaft fundamental in Frage stellt: Man konnte jenseits der unmittelbar Involvierten nichts vom Unrecht wissen. Und: Man konnte als Einzelner nichts tun. Vielleicht hatte es deshalb Elsers Tat nach dem Krieg so schwer, als Teil des deutschen Widerstandes anerkannt zu werden.
Fred Breinersdorfer, der Drehbuchautor und Coproduzent, der bereits vor zehn Jahren bei seinem Sophie-Scholl-Film ähnliches erfuhr:
"Die Schwester von Sophie Scholl hat mir damals gesagt, 'wenn wir nach dem Krieg in Ulm durch die Straßen gegangen sind, sind viele Leute auf die andere Seite gegangen'. Es war einfach so, dass man die Widerständler nach dem Krieg in Deutschland als Vaterlandsverräter dargestellt hat. Bei Elser ist es konkret so, dass er bis heute noch verfemt ist. Als wir mit dem Film angefangen haben, haben teilweise entfernte Familienangehörige - direkte gibt es nicht mehr -, wir wollen damit nichts zu tun haben, wir werden immer noch verfemt. Das Dorf, in dem er lebte, Königsbronn, hieß in Schwaben lange Zeit Attentatshausen."
Mit großer Behutsamkeit und Genauigkeit nähert sich Oliver Hirschbiegel seiner Figur. Anders als vor einem Vierteljahrhundert, als man Klaus Maria Brandauer und eine erfundene Liebesgeschichte brauchte, hält sich "Elser" ziemlich genau an die Faktenlage, zeigt die Konflikte in der Dorgemeinschaft der Ostalb, diem komplizierte Liebesbeziehung Elsers zu einer verheirateten Frau.
Die akribischen Vorbereitungen, mit denen der 36-jährige Elser das Attentat anlässlich einer Rede Hitlers im Bürgerbräukeller München im November 1939 plante, das wird in diesem Film spannungsvermeidend gleich am Anfang gezeigt. Es folgen die Verhöre, in die hinein, entsprechend der Gestapoprotokolle, die Lebensgeschichte Elsers rekonstruiert wird.
Der Film zeigt aber auch den Kampf zwischen dem unbeugsamen, bereits gefolterten Mann und den Vertretern der Macht darum, was am Ende in den Akten steht. Denn die Nazis glauben nicht an den Einzeltäter. Während diese Szenen sehr nüchtern gefilmt sind, bekommen die Rückblenden auf das Leben im Dorf etwas seltsam hyperreal Überfirnisstes. Doch steht und fällt der Film mit seinen Darstellern, vor allem mit Christian Friedel als Elser, den die Bandbreite der Figur beeindruckt hat, auch die Momente des Rückzugs:
"Ich habe mich mit dem Neffen von Georg Elser unterhalten, der gesagt hat, dass man nie etwas gemerkt habe, was er wirklich vorhatte, und konnte diese Tat auch nicht mit ihm in Verbindung bringen, weil er auch menschlich ein ganz anderer war in der so genannten Realität."
Bis fast zum Ende des Krieges wird Elser zunächst im KZ Sachsenhausen, dann in Dachau isoliert, um für einen Schauprozess zur Verfügung zu stehen. Unmittelbar vor der Befreiung wird er wie Bonhoeffer, Thälmann und andere, doch noch ermordet.