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Reiner Veit stellt den Film mit dem sehr poetischen Titel "Tell Spring not to come this Year" vor: Sag dem Frühling, er soll in diesem Jahr nicht kommen.
Doch so poetisch-schön wie der Titel, ist der britische Dokumentarfilm nicht. Eher ernüchternd und erschüttend. Wir sind in Afghanistan, bei einer Truppe zusammengewürfelt wirkender afghanischer Soldaten. In der unsicheren Region Helmand sollen sie, wenn alle Nato-Truppen abgezogen sind, für Sicherheit und den aussichtslosen Kampf gegen die Taliban zuständig sein. Die Jungs tun einem Leid. Und sie selbst sich auch.
Der Kameramann Saeed Taji Farouky konnte über ein Jahr lang die jungen Soldaten begleiten. Tag und Nacht. Wir sehen lachende Gesichter, sehen junge Soldaten im T-Shirt mit Handy, hören ihre skeptischen Kommentare zu Land und Leute, hören, dass sie schon Monate keinen Sold kriegten. Sie beklagen die vielen toten Soldaten der letzten Jahre, vor allem jene aus Europa, denn die toten afghanischen Soldaten, die hätten ja wenigstens für ihr Land gekämpft.
Den Amerikanern heult keiner auch nur eine Träne nach. Grobschlächtig und rücksichtslos seien die. Hochmütige Kriegsherren. Auch zu den eigenen Politikern fällt den Soldaten nix Gutes ein. Machtbesessen und Geldgeil sind die - und sterben müssen andere. - Dann, abrupt - ein Einsatz gegen Taliban-Kämpfer. Frontverlauf unklar. Was zu tun ist, auch.
Saeed Tajoi Farouki ist immer mit seiner Kamera dabei, auch wenn um ihn herum geschossen wird und Soldaten sterben. Das Auge der Kamera ist Teil der Truppe geworden. Es gibt keinen Kommentar. Wir hören nur die Soldaten reden. Aber das, was sie sagen, sagt alles. Es gibt viele Zweifel und wenig Träume und Hoffnung in diesem zerrissenen Land. Wo doch die Hoffnung angeblich zuletzt stirbt. Wie vieles gilt auch das nicht für Afghanistan.
Ich habe "Tells Spring not to come this Year" vor über einer Woche gesehen - und er geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Er ist einer der erschütterndsten Filme - nicht nur dieser Berlinale.